Leitsatz (amtlich)

Das eigene Verhalten einer einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnenden Partei begründet als solches noch keinen Ablehnungsgrund, da anderenfalls die Partei einen ihr unbequemen Richter durch Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung, häufige Ablehnungsgesuche oder dergleichen regelmäßig aus dem Verfahren drängen könnte.

Anders ist es zu beurteilen, wenn ein Richter in seiner dienstlichen Äußerung selbst von sich behauptet, nicht unvoreingenommen zu sein, nachdem ihm die Partei in der Vergangenheit schwerwiegende, wenn auch unbegründete, persönliche Vorwürfe gemacht hat.

Es ist dann weder entscheidend, ob der Richter tatsächlich befangen ist, noch ob es berechtigt erscheint, noch Jahre nach haltlosen Vorwürfen eine derartige Erklärung abzugeben. Der Ablehnende darf jedenfalls in dieser Situation Befangenheit besorgen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 20.11.2009; Aktenzeichen 4 O 622/09)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen die Richterin am LG K. wird für begründet erklärt.

 

Gründe

I. In dem dem Ablehnungsgesuch zugrunde liegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagte vor dem LG Dessau-Roßlau auf Vorschusszahlung i.H.v. 64.500 EUR für Mängelbeseitigungskosten an seinem Haus aus eigenem und abgetretenem Recht in Anspruch genommen. Zur Entscheidung ist die Einzelrichterin K. der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau berufen.

Dem Verfahren vorausgegangen war ein Rechtsstreit vor derselben Richterin, in dem die hiesige Beklagte von einem Dritten in Anspruch genommen worden war. Das Verfahren wurde vor dem LG Dessau-Roßlau unter dem Aktenzeichen 4 O 885/07 geführt. Dort war mit Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 14.1.2008 ein Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen die Richterin am LG K. für begründet erklärt worden, nachdem sich die Richterin am 12.11.2007 - wegen der in einem weiteren Verfahren - 4 O 1540/04 - von der Beklagten, die dort als Klägerin auftrat, in einer Dienstaufsichtsbeschwerde erhobenen Vorwürfe der Rechtsbeugung - für befangen erklärt hatte. In der Begründung hieß es, die im Verfahren 4 O 1540/04 von der Beklagten an der Richterin geäußerte Kritik sei verunglimpfend gewesen und habe das Maß dessen, was ein Richter bei der Ausübung seines Amtes ohne Beeinträchtigung seiner Unbefangenheit ertragen müsse, überstiegen.

Mit Schriftsatz vom 5.10.2009 hat die Beklagte die Richterin am LG K. wegen der Besorgnis der Befangenheit auch im hiesigen Verfahren abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Richterin habe sich damals derart persönlich und massiv angegriffen gefühlt, dass davon auszugehen sei, diese Verletztheit bestehe fort. Die klageabweisende Entscheidung der abgelehnten Richterin in der Sache 4 O 1540/04 habe sich im Berufungsverfahren, das mit einem für die hiesige Beklagte günstigen Vergleich geendet habe, auch als materiell-rechtlich unzutreffend dargestellt.

Die Richterin hat sich am 20.10.2009 dienstlich dahin geäußert, bei der Terminierung der Güteverhandlung und eines möglichen frühen ersten Termins die Parteibezeichnung der Beklagten übersehen zu haben. Sie erkläre sich wegen der im Verfahren 4 O 1540/04 von der hiesigen Beklagten erhobenen schwerwiegenden persönlichen und völlig unbegründeten Verdächtigungen gegen ihre Person für befangen. Auf die dienstliche Äußerung wird Bezug genommen (Bl. 16d. BH). Mit Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 20.11.2009 wurde das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Gründe dafür, dass die Verletztheit der Richterin fortbestehe, seien auch im Hinblick auf den Zeitablauf, den veränderten Prozessstoff und die teilweise unterschiedlichen Parteien nicht ersichtlich. Die für die Beklagte ungünstige Entscheidung der abgelehnten Richterin in dem vorangegangenen Verfahren 4 O 1540/04 rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit nicht.

Gegen den ihr am 3.12.2009 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 11.12.2009 bei dem OLG Naumburg sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Richterin hätte sich nach dem Inhalt ihrer dienstlichen Äußerung selbst sofort für befangen erklärt, hätte sie nicht die Parteibezeichnung der Beklagten überlesen. Da die Richterin sich selbst nach wie vor für befangen halte, sei die Besorgnis der Befangenheit begründet.

Die 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau hat nicht über eine Abhilfe entschieden.

II. Die gem. §§ 46 Abs. 2, Alt. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. § 569 Abs. 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Das Beschwerdegericht kann im Interesse der Prozessökonomie, nachdem die Beschwerdeschrift sogleich beim Rechtsmittelgericht eingelegt worden war, hier auch trotz unterbliebener Abhilfeentscheidung des LG gem. § 572 Abs. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden (vgl. bei fehlerhaftem Abhilfeverfahren: BGH, Beschl. v. 21.12.2006, Az: IX ZB 81/06, ZIP 2007, 188; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 572 Rz. 4).

Das LG hat ...

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