Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beschädigung von ausgewachsenen Gehölzen wie einer vier Meter hohen Thujenhecke verursacht die Wiederherstellung mit Gehölzen gleicher Größe und gleichen Alters in der Regel unverhältnismäßige Kosten, so dass nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich Wertersatz, nicht aber Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 2 BGB verlangt werden kann.

2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist denkbar, wenn Standort und Funktion der Bepflanzung für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch gleichartige Gehölze wenigstens nahelegen, was sich beispielsweise bei einem Baum in einem botanischen Garten aufdrängt, bei einer herkömmlichen Thujenhecke auf einem Privatgrundstück aber nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

3. Der Wertersatz kann anhand der sogenannten "Methode Koch" berechnet werden, wobei die Beurteilung von Gehölzschäden Aufgabe eines Baum- oder Gehölzsachverständigen ist und die maßgeblichen Fragen außerhalb der Kompetenz eines Sachverständigen für Grundstücksbewertung liegen.

4. Eine vermeintliche Wertminderung des Grundstücks durch die Ersatzanpflanzung kleiner anstatt großer Pflanzen ist nicht nach der Minderung des Verkaufswerts des Grundstücks zu ermitteln, sondern nur nach den Herstellungskosten für das Aufwachsen der Pflanzen vom Alter der Ersatzpflanzen bis zum Alter der zerstörten Pflanzen, zu deren Ermittlung die "Methode Koch" geeignet ist.

5. Eine vermeintlich davon unabhängige Wertminderung des Grundstücks aufgrund fehlenden Sichtschutzes ist jedenfalls dann nicht ersatzfähig, wenn es sich nur um eine vorübergehende Wertschwankung für den Zeitraum handelt, bis die Ersatzpflanzen das Alter der zerstörten Pflanzen erreichen, und sich diese Schwankung nicht, z.B. durch den Verkauf des Grundstücks zu einem verringerten Wert, realisiert hat.

 

Normenkette

BGB § 94 Abs. 1, § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 1-2, § 267 Abs. 1, § 278 S. 1, § 362 Abs. 1, § 280 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 20 O 8084/19)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.04.2020, Az. 20 O 8084/19, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahren.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um eine abgebrannte Thujenhecke.

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einer Hecke aus Thujen (Thuja occidentalis Smaragd) eingefriedeten Anwesens in G. bei M. Der Beklagte ist Inhaber eines Hausmeisterdienstes.

Der Kläger beauftragte den Beklagten im September 2018 mit der Durchführung von Hausmeister- und Gartenarbeiten (Anlage K 1), in deren Verlauf ein Mitarbeiter des Beklagten vermittels eines Flammenwerfers auf Gehwegplatten vorhandenes Unkraut ausbrannte. Hierbei griff die Flamme des Flammenwerfers auf die Thujenhecke des Klägers über, die sich neben der Garagenauffahrt an der Grenze zum Nachbargrundstück erstreckte. Infolgedessen brannte nahezu die gesamte ca. vier Meter hohe Hecke auf einer Länge von ca. 30 Metern bis auf einen Rest von zwei bis drei Metern an ihrem Nordende noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr vollständig ab. Auch der verbleibende Rest der Hecke wurde durch die starke Hitzeentwicklung thermisch geschädigt.

In der Folgezeit beauftragte der Kläger den privaten Sachverständigen Dipl.-Forstwirt E. mit einem Gutachten zur Höhe des durch den Brand entstandenen Schadens (Anlage K 2). Der Gutachter kam darin zu dem Ergebnis, dass durch eine Funktionsherstellung mittels Zuwachs bzw. Anpflanzens von ca. 80 Kleingehölzen mit einer Höhe von ca. 1,75 m bis 2,00 m aufgrund Berechnung nach der sogenannten "Methode Koch" mit Kosten von EUR 35.672,37 netto zu rechnen sei. Auf Wunsch des Klägers berechnete der Gutachter auch die Kosten für eine Funktionsherstellung der Hecke im Wege der Naturalrestitution durch 98 Thujen mit einer Höhe von ca. 3,50 bis 4,00 m und kam dabei wiederum nach der "Methode Koch" zu einem Ergebnis von EUR 130.058,60 netto. Die Versicherung des Beklagten regulierte den Schaden auf der Basis der ersten Berechnung und zahlte EUR 35.672,37 an den Kläger aus.

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe gegen den Beklagten ein Anspruch in Höhe der verbliebenen Differenz von EUR 94.386,23 zu, da er grundsätzlich Naturalrestitution und damit die Wiederherstellung der Hecke in einer Höhe von vier Metern verlangen könne.

Die Bepflanzung in Höhe von vier Metern sei auch öffentlich-rechtlich zulässig, da noch ein Teil der ursprünglichen Vier-Meter-Hecke existiere und es sich deshalb nicht um eine Neu-, sondern um eine Anpflanzung handle.

Die Naturalrestitution sei auch nicht unverhältnismäßig, weil hierbei die Besonderheiten des betroffenen Objekts zu berücksichtigen seien, das in einer überdurchschnittlich gehobenen Woh...

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