Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz wegen unrechtmäßigem Einkürzen von Bäumen auf Nachbargrundstück - Berechnung der Werteinbuße

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Zerstörung eines Baumes ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten, vielmehr ist der Anspruch des Geschädigten auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus ein Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks zu leisten.

2. Die Werteinbuße ist nach § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sog. Bewertungsmethode von Koch zurückzugreifen ist. Hiernach wird der Wertverlust bestimmt, indem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden. Der danach errechnete Wert wird mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt.

 

Normenkette

BGB §§ 94, 249, 251; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.05.2023; Aktenzeichen 2-07 O 264/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.5.2023 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.675,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen des unberechtigten Rückschnitts von Gehölzen auf ihrem Grundstück.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen, aus mehreren Parzellen bestehendes Hausgrundstücks, auf dem sich ein im Jahr 1956 gepflanzter alter Baumbestand befindet. Die Gartenanlage ist aufwendig gestaltet und gepflegt; es wird auf das Lichtbild auf S. 3 der Klageschrift, Bl. 5 der Akte, Bezug genommen. Bei der Gestaltung des in der Kreisstadt1 gelegenen Gartens kommt es der Klägerin (auch) darauf an, im Stadtgebiet einen Lebensraum für Fische, Frösche, Vögel und sonstige Kleintiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlendioxid in Sauerstoff zu leisten. Die Klägerin lässt den Baum- und Strauchbestand mehrfach jährlich durch ein Fachunternehmen schneiden. An einer Längsseite ihres Grundstückes grenzen mehrere, deutlich kleinere enger bebaute Grundstücke an, darunter auch das Grundstück des Beklagten, welches sich aus der Perspektive des klägerischen Grundstücks in nordwestlicher Richtung im hinteren Gartenbereich befindet und durch einen Zaun und eine Hecke vom klägerischen Grundstück abgegrenzt wird. Es wird auf die Skizze in dem Sachverständigengutachten vom 1.11.2021 sowie die Lichtbilder in der Klageschrift, Bl. 9 und 10 der Akte, Bezug genommen.

Auf dem Grundstück der Klägerin befinden sich unter anderem eine Birke, die zum Grundstück des Beklagten einen Abstand von 1,6 Metern aufweist, sowie ein Kirschbaum, der zum Grundstück des Beklagten einen Abstand von 3,35 Metern aufweist. Der Beklagte erwarb sein Grundstück unstreitig zu einem Zeitpunkt, in dem der Baum- und Strauchbestand auf dem klägerischen Grundstück längst vorhanden war. Er verfügt über keine spezifischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Baumpflege.

Am 24.5.2020 kontaktierte der Beklagte die Klägerin telefonisch. In diesem Telefonat erklärte sich die Klägerin jedenfalls damit einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberragenden Äste der Gehölze zurückschneidet; der weitergehende Inhalt des Telefonats ist streitig.

Am 25.5.2020 - in der Schonzeit für Vögel, in der an sich keine Schnittarbeiten durchgeführt werden dürfen -, betrat der Beklagte das Grundstück der Klägerin und führte in ihrer Abwesenheit gravierende Schneidearbeiten an einer Birke, einem Kirschbaum und einem Holunderstrauch durch. An der Birke verblieb im Anschluss kein einziges Blatt. Auch der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum sowie ein Holunder wurden nahezu vollständig eingekürzt. Wegen des Erscheinungsbildes der Bäume wird auf die in dem Gutachten des Sachverständigen A vom 21.1.2021 enthaltenen Lichtbilder Bezug genommen (Sonderband Gutachten, dort S. 9 ff.). Die Birke wies im Zeitpunkt ihres Rückschnitts einen Stammumfang von 1,5 Metern auf (gemessen in 1 Meter Höhe). Der Stammumfang der Kirsche betrug 1,35 Meter (gemessen in 1 Meter Höhe), vgl. Sachverständigengutachten vom 1.11.2021, S. 14.

Das Schnittgut ließ der Beklagte auf dem Grundstück der Klägerin liegen. Für dessen Entsorgung zahlte die Klägerin 418,17 EUR. Infolge des drastischen Rückschnitts entstand - jedenfalls vorübergehend - eine Lichtschneise in Richtung des Grundstücks des Beklagten. Zwischenzeitlich haben die Gehölze wieder ausgetrieben, wobei streitig ist, ob diese sich (dauerhaft) wieder erholt haben oder es sich nur u...

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