Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls

 

Normenkette

StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 04.02.2020; Aktenzeichen 7 O 2877/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin vom 20.02.2020 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 04.02.2020 (Az. 7 O2877/18) in Nr. 1 und 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,

a) an die Klägerin 426,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2018 zu zahlen

b) an die V. B. 8.076,56 EUR für Schadensnummer KRK...22; Versicherungsnehmerin B. B., auf deren Konto bei der B. LB IBAN: ... 54 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.08.2018 zu zahlen

c) außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 603,90 EUR an die A. Rechtsschutz-Service GmbH auf das Konto der DZ-Bank B. ... 70 unter Schadensnummer ...30 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 25% und die Beklagten samtverbindlich 75%.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 35% und die Beklagten samtverbindlich 65%.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

I. Das Landgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz bejaht, dabei jedoch die Haftungsverteilung rechtsfehlerhaft mit 70 zu 30 zu Lasten der Klägerin vorgenommen. Sachgerecht und zutreffend ist stattdessen eine Haftungsverteilung von 75 zu 25 zu Lasten des Linksabbiegers und damit zu Lasten der Beklagtenseite. Denn der Beklagten zu 2) kann ein Verstoß gegen § 9 I 4 StVO, im Gegensatz dazu dem klägerischen Fahrer kein Verkehrsverstoß nachgewiesen werden. Weiter konnte die Klägerin nicht den Nachweis erbringen, dass der Unfall für den klägerischen Fahrer unvermeidbar war, so dass in Fällen wie diesen, wenn Kolonnen in einem Zug überholt werden sollen, eine leicht erhöhte Betriebsgefahr bei dem die Kolonne überholenden klägerischen Fahrzeug verbleibt.

Hierzu im Einzelnen:

1. Dem Erstgericht ist kein Fehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen.

Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden.

Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. BGH VersR 2005, 945. Senat, Urt. v. 9.10.2009 - 10 U 2965/09 [juris] und v. 21.6.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a. a. O.); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a. a. O.; Senat, a. a. O.).

Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht aufgezeigt worden.

Das Erstgericht hat alle angebotenen Zeugen vernommen und die Beklagte zu 2) angehört. Über den Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls hat das Landgericht ein schriftliches unfallanalytisches Sachverständigengutachten erholt und den Sachverständigen ergänzend angehört. Einwendungen gegen dieses Gutachten wurden seitens der Klägerin in der Berufungsbegründung nicht erhoben. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung mehrfach für ihre Behauptungen beantragte, hierzu ein Gutachten zu erholen, obwohl bereits ein Gutachten erholt wurde, auf das sich die Klägerin teilweise auch beruft, sind diese Beweisanträge zurückzuweisen, da die Beweisaufnahme bereits erfolgte und die Klägerin nicht erläutert, inwieweit die erstinstanzliche Beweisaufnahme fehlerhaft sein soll.

2. Die vom Landgericht gefundene Haftungsverteilung begegnet jedoch aus den folgenden Erwägungen rechtlichen Bedenken.

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 2) unter Verstoß gegen ihre sich aus § 9 I 4 StVO ergebende zweite Rückschaupflicht nach links abgebogen ist, obwohl sie das überholende Klägerfahrzeug hätte erkennen können (vgl. Anhörung Sachverständiger Dr. S., Protokoll vom 16.01.2020, S. 3 = Bl. 88 d.A.). Insoweit trifft die Beklagte zu 2) ein Verschulden am Unfall. Im Übrigen ist das Landgericht auf Grund der durc...

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