Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederbeschaffungswert, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Fiktive Abrechnung, Wiederbeschaffungsaufwand, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sechsmonatszeitraum, Erledigungserklärung, Zurückweisung der Berufung, Klageänderung, Feststellungsantrag, Konkrete Abrechnung, Berufungsinstanz, Integritätsinteresse, Feststellung der Erledigung, Unfallschaden, Eingegangene Schriftsätze, Kostenentscheidung, Schriftliches Verfahren, Prozeßbevollmächtigter, Leistungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

Die regelmäßig erforderliche mindestens sechsmonatige Weiternutzung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Pkw ist nicht nur dann keine Fälligkeitsvoraussetzung, wenn der Geschädigte einen zwischen Wiederbeschaffungswert und 130% des Wiederbeschaffungswertes liegenden Schaden konkret abrechnet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - VI ZB 22/08 -, BGHZ 178, 338-346), sondern auch dann nicht, wenn der Geschädigte einen zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegenden Schaden fiktiv abrechnet.

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Urteil vom 22.08.2023; Aktenzeichen 14 O 730/23)

 

Tenor

(abgekürzt gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO)

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 22.08.2023, Az. 14 O 730/23, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der beantragten Zahlung von 5.359,33 EUR sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 160,89 EUR erledigt ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.359,33 EUR für die Zeit vom 18.03.2023 bis einschließlich 11.09.2023 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Gegen das seine Klage als derzeit unbegründet abweisende Urteil des Landgerichts Kempten vom 22.08.2023, Az. 14 O 730/23, seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 23.08.2023, hat der Kläger mit am 21.09.2023 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 13.10.2023 eingegangenem Schriftsatz begründet. Unter Verweis auf die am 12.09.2023 erfolgte Bezahlung der Hauptsacheforderung und der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger seinen Antrag in der Berufungsinstanz dahingehend abgeändert, dass er hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Feststellung der Erledigung und im Übrigen nur noch die Zahlung von Zinsen auf die Hauptforderung für den Zeitraum vom 18.03.2023 bis einschließlich 11.09.2023 beantragt. Der Beklagtenvertreter ist dem entgegengetreten, indem er mit der Berufungserwiderung vom 27.11.2023 die Zurückweisung der Berufung beantragt hat.

Auf die Verfügung des Berichterstatters vom 28.11.2023 hin erklärten beide Parteivertreter ihr Einverständnis mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Schriftsätze vom 29. bzw. 30.11.2023), in welchem daher gemäß Beschluss vom 04.12.2023 entschieden wird.

II. 1. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung gegen das den Kläger beschwerende Urteil des Landgerichts Kempten vom 22.08.2023, Az. 14 O 730/23, ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 bis 3 ZPO eingelegt worden und somit zulässig.

2. Die Umstellung des Klageantrags in der Hauptsache sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag dahingehend, dass der Rechtsstreit insoweit durch die Zahlung vom 12.09.2023 erledigt wurde, ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen (BGH vom 19.06.2008 - IX ZR 84/07 - juris Rn. 8) und daher auch in der Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf die Beschränkungen des § 533 ZPO zulässig (vgl. BGH vom 19.03.2004 - V ZR 104/03 - juris Rn. 25).

3. Die Berufung ist sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrags als auch hinsichtlich des verbliebenen Leistungsantrags (bezüglich Zinsen auf die Hauptforderung für die Zeit vom 18.03.2023 bis zum 11.09.2023) begründet.

a) Die Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Seite 2 der Berufungsbegründung vom 13.10.2023) ist einseitig geblieben, da der Beklagtenvertreter ihr nicht zugestimmt hat, sondern ihr mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung entgegengetreten ist. In der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung liegt eine (wie ausgeführt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte) Klageänderung in eine Feststellungsklage mit der dreifachen klägerischen Behauptung, dass die Klage im Zeitpunkt des nach Auffassung des Klägers erledigenden Ereignisses (1) zulässig und (2) begründet war, jedoch (3) nachträglich durch ein bestimmtes Ereignis nach Rechtshängigkeit (hier: Zahl...

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