Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Abweichung vom Antrag bei Mitteilung der Einstufung in die SF-Klasse unter Vorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Versicherer einer Kraftfahrt-Versicherung im Versicherungsschein die Einstufung in eine bestimmte Schadenfreiheitsklasse auf der Grundlage der vom Versicherungsnehmer bei Antragstellung gemachten Angaben vor und stellt er dabei die Festsetzung des endgültigen Beitragssatzes unter den Vorbehalt der Bestätigung des Vorversicherers, liegt eine Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag iSv § 5 Abs. 1, Abs. 2 VVG auch dann nicht vor, wenn der Antrag keinen entsprechenden Vorbehalt enthält. Bestätigt der Vorversicherer die im Antrag gemachten Angaben nicht, kann der Versicherer daher den endgültigen Beitragssatz abweichend festsetzen, ohne dass sich der Versicherungsnehmer auf § 5 Abs. 3 VVG berufen kann

2. Jedenfalls der Versicherungsnehmer der Kraftfahrt-Versicherung, der bei Antragstellung vorsätzlich falsche Angaben über den Schadensfreiheitsrabatt macht (hier: Fahrzeugwechsel statt Neuzulassung), kann sich mit Blick auf die Wertungen des § 19 VVG nicht auf den Schutz des § 5 Abs. 3 VVG berufen.

 

Normenkette

VVG §§ 5, 19, 38 Abs. 2, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 116 Abs. 1 S. 2; BGB § 426 Abs. 2 S. 1; StVG § 7 Abs. 1; StVG § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Urteil vom 20.04.2016; Aktenzeichen 021 O 181/15)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Augsburg vom 20.04.2016, Az. 021 O 181/15, berichtigt durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19.09.2016, Az. 24 U 2174/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Versicherung nimmt den Beklagten auf Erstattung der Regulierungskosten für einen Kfz-Haftpflichtschaden in Anspruch.

Die Klägerin versicherte gemäß Versicherungsschein vom 11.06.2013 (Anlage K16) den Pkw Mercedes-Benz, amtliches Kennzeichen ..., des Beklagten in der Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung. Für die Haftpflichtversicherung war ein "Beitragssatz von 26 %, Beitragsklasse: SF 21, schadenfreie Kalenderjahre: 21" angegeben. In einer Fußnote (*) ist angefügt: "* Soweit für die Festsetzung des endgültigen Beitragssatzes die Bestätigung eines anderen Versicherers notwendig ist, gilt der dokumentierte Beitragssatz vorbehaltlich dieser Bestätigung." Der Beklagte bezahlte die sich aus diesem Versicherungsschein ergebende Prämie von 277,96 EUR für die Haftpflichtversicherung und 304,74 EUR für die Fahrzeugversicherung. Mit Schreiben vom 20.06.2013 (Anlage K18) und 24.10.2013 (Anlage K19) wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass der Vorversicherer die Bestätigung nicht erteilt habe, weil der Vertrag für sein bisheriges Fahrzeug weiterhin ungekündigt bestehe. Unter Setzung einer Frist von 14 Tagen kündigte die Klägerin beide Male an, den Vertrag gemäß den zugrunde liegenden Bedingungen rückwirkend ab Beginn nach einer Zweitwagenregelung (z.B. SF 1/2) einzustufen, wenn sie keine Nachricht vom Beklagten erhalte.

Mit Schreiben vom 27.01.2014 übersandte die Klägerin dem Beklagten einen Nachtrag zum Versicherungsschein, in dem für die Haftpflichtversicherung ein Beitragssatz von 76 %, Beitragsklasse: SF 1/2, schadenfreie Kalenderjahre: 0" angegeben ist und für die Haftpflichtversicherung ein Beitrag von 812,50 EUR, für die Fahrzeugversicherung eine Beitrag von 738,41 EUR gefordert wird. Unter Anrechnung der erbrachten Zahlung forderte die Klägerin eine Nachzahlung von 968,21 EUR (Anlage K15).

Mit Schreiben vom 09.03.2014 (Anlage K1) mahnte die Klägerin unter Setzung einer Frist von zwei Wochen diesen Betrag an und wies darauf hin, dass der Versicherer in einem Schadensfall nicht zur Leistung verpflichtet ist, also kein Versicherungsschutz besteht, falls nach Ablauf der Frist ein Schadensfall eintrete und sich der Beklagte ganz oder auch nur teilweise in Verzug befinde. Da der Beklagte auch auf diese Mahnung nicht zahlte, kündigte die Klägerin den Vertrag mit Schreiben vom 06.04.2014 (Anlage K21).

Bereits am 05.04.2014 war der Beklagte auf der Haunstetter Straße in Augsburg infolge von Unachtsamkeit auf das Kfz von ... aufgefahren. Die Klägerin regulierte dessen Schaden in Höhe von insgesamt 6.130,18 EUR.

Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 09.05.2014 (Anlage K13) und 28.05.2014 (Anlage K14) vom Beklagten den Ersatz dieser Aufwendung.

Das LG Augsburg hat der auf Zahlung von 6.130,18 EUR sowie außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 5,00 EUR jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.130,18 EUR seit dem 03.07.2014 und aus 5,00 EUR seit Rechtshängigkeit gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben. Soweit das LG der Klägerin 6.230,18 EUR zugesprochen hatte, hat der Senat das Urteil mit Beschluss vom 19.09.2016 berich...

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