Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherungsschein legitimiert den Inhaber ggü. der Versicherung nach § 808 I BGB lediglich insoweit, dass die Versicherung durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde befreit ist. Dieser ist jedoch nicht berechtigt, die Leistung zu verlangen.

2. Einer Versicherung ist es nicht verwehrt, sich auf Beweisschwierigkeiten zu berufen, die auf die Vernichtung des Originals einer Abtretungsanzeige zurückzuführen sind.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 29.01.2008; Aktenzeichen 23 O 21/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 29.1.2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie alleinige Versicherungsnehmerin der bei der Beklagten zu 1) bestehenden Lebensversicherung Nr. 122965321 ist. Der Beklagte zu 2) war mit der Klägerin verheiratet. Er hat die streitgegenständliche Lebensversicherung für den Erlebens- und Todesfall mit der Beklagten zu 1) abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie durch Übertragung des Versicherungsvertrags auf Grund der vom Beklagten zu 2) unterzeichneten Veränderungsanzeige vom 22.3.2004 (Anlage K 1), der die Beklagte zu 1) zugestimmt habe, Versicherungsnehmerin geworden sei.

Da der Beklagte zu 2) bestreitet, die Veränderungsanzeige vom 22.3.2004 unterzeichnet zu haben, hat die Beklagte zu 1) die Umschreibung des Versicherungsvertrages rückgängig gemacht.

Das LG München I hat durch Beweisbeschluss vom 31.12.2007 die Erhebung des Sachverständigenbeweises zu der Behauptung der Klägerin, dass die auf der Veränderungsanzeige vom 22.3.2004 enthaltene Unterschrift des Beklagten zu 2) echt sei, angeordnet. Die Veränderungsanzeige (Anlage K 1) liegt nur in Ablichtung vor. In ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 10.8.2007 hat die beauftragte Sachverständige dargelegt, dass sich die Echtheit einer Unterschrift anhand von Kopien grundsätzlich nicht nachweisen lasse. Auf die Stellungnahme der Sachverständigen vom 10.8.2007 (Blatt 51-53) wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 29.1.2008 hat das LG München I die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Nachweis, dass der Beklagte zu 2) einer Vertragsübernahme zugestimmt habe, nicht geführt werden könne.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG München I vom 29.1.2008 wird Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie begründet diese im Wesentlichen wie folgt:

Die Beklagten seien beweispflichtig für die behauptete Unterschriftsfälschung. Der ihr nach Eingang der Veränderungsanzeige erteilte Versicherungsschein stelle eine Urkunde dar, für die die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit gelte. Der Versicherer dürfe ohne Prüfung der Unterschrift des bisherigen Versicherungsnehmers keinen neuen Versicherungsschein ausstellen. Wenn er einen solchen Schein ausstelle, gelte die Vermutung seiner Richtigkeit, solange das Gegenteil nicht bewiesen sei. Im Falle irrtümlicher Ausstellung hätte der Versicherer die Erteilung des Versicherungsscheines anfechten müssen. Eine Anfechtung sei nicht erklärt worden. Der Versicherer sei zudem nach Treu und Glauben verpflichtet, entweder die Urkunde im Original aufzuheben oder dem Versicherungsnehmer im Original zurückzugeben. Wenn er die Urkunde vernichte, die für die Prüfung von Ansprüchen von Bedeutung sein könne, könne er nach Treu und Glauben die dadurch bedingten Beweisnachteile nicht auf den Versicherer abwälzen. Die Beklagte habe durch Vernichtung des Originals der Übertragungsanzeige Vertragspflichten verletzt. Ebenso bestehe ein Anspruch wegen Eigentumsverletzung aus § 823 I BGB. Es errechne sich ein Schaden von 48.938,80 EUR ausgehend von der garantierten Versicherungsleistung zum Ablauf des 30.9.2014 i.H.v. 60.781 EUR. Von dieser Leistung seien die bis zum Ablauf des Vertrags fälligen Prämien von insgesamt 11.842,20 EUR abzuziehen. Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs im Wege des Hilfsantrags sei zulässig, da er ausschließlich auf die bereits in erster Instanz genannten Tatsachen gestützt sei. Die Zulassung der Revision zur Weiterbildung des Rechts werde beantragt im Hinblick auf die Frage der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des bei Wechsel des Versicherungsnehmers erteilten Versicherungsscheins und zur Klärung der Frage der Verpflichtung des Versicherers, die Versicherungserklärungen im Original aufzubewahren.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des LG München I vom 29.1.2008 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin alleinige Versicherungsnehmerin bei der bei der Beklagten zu 1) bes...

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