Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung bei Verwerfungsantrag nach Hinweis des Gerichts gem. § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Kündigt das Gericht an, dass es die Berufung wegen Ablaufs der Begründungsfrist als unzulässig verwerfen wird, so ist im Regelfall ein Sachvortrag oder -antrag des Berufungsbeklagten überflüssig, weshalb eine 1,6-Verfahrensgebühr nicht zu erstatten ist.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3101; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 51 O 1243/05)

 

Tenor

I. Die sofortigen Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 74 %, die Beklagten 26 %.

III. Der Beschwerdewert beträgt 1.511,94 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass den Beklagten ein Erstattungsanspruch für eine 1,1-Verfahrensgebühr ihres Verfahrensbevollmächtigten im Berufungsverfahren überhaupt zuerkannt wurde, obgleich eine Stillhalteabrede bestanden habe. Die Beklagten wenden sich dagegen, dass ihnen lediglich eine 1,1 und nicht eine 1,6-Verfahrensgebühr zuerkannt wurde, obgleich die Verwerfung der Berufung als unzulässig beantragt worden sei.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 26.10.2005 Berufung ein, die am 27.10.2005 bei Gericht einging. Die Parteien trafen eine Stillhalteabrede dahingehend, dass die Beklagtenvertreter sich kollegialiter für die Dauer eines Monats nicht bestellen. Der neue Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16.1.2006. Das Gericht verlängerte die Frist bis zum 30.12.2005. Nachdem bis zu diesem Zeitpunkt eine Berufungsbegründung nicht einging, teilte das OLG den Parteien mit, dass die Begründungsfrist am 30.12.2005 abgelaufen ist und deswegen beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, sich dazu bis zum 26.1.2006 zu äußern. Mit Schriftsatz vom 11.012006 nahm die Klägerin ihre Berufung zurück. Mit Schriftsatz vom 19.1.2006 erklärte der Beklagtenvertreter, dass dem Hinweis des Senats nichts hinzuzufügen sei. Nach Aktenlage sei die Berufung nicht innerhalb der bewilligten Fristverlängerung bis 30.12.2005 begründet worden. Sie sei mithin als unzulässig zu verwerfen. Kenntnis von der Berufungsrücknahme erhielten die Beklagtenvertreter am 24.1.2006.

II. Beide sofortigen Beschwerden sind unbegründet.

1. Sofortige Beschwerde der Klägerin:

Die Stillhalteabrede stand der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nicht entgegen, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerin diese nur für einen Monat galt, der Schriftsatz vom 19.1.2006 lange nach Ablauf dieser Frist erfolgt ist.

2. Sofortige Beschwerde der Beklagten:

Es war überflüssig, einen Sachantrag zu stellen, weshalb keine 1,6-Verfahrensgebühr zu erstatten war.

Es ist inzwischen in der Rechtsprechung anerkannt, dass Sachanträge, die das Verfahren nicht fördern können, nicht zur Erstattung einer vollen Verfahrensgebühr führen. Das gilt zum einen, wenn nach Einlegung der Berufung deren Zurückweisung beantragt wird, obgleich eine Begründung nicht vorliegt. Wester ist es ganz herrschende Meinung, dass nach Rücknahme einer Berufung der Antrag auf eine Kostengrundentscheidung keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der dadurch entstehenden Verfahrensgebühr rechtfertigt, da gem. § 516 Abs. 3 ZPO das Gericht von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden hat, ein solcher Antrag also unnötig ist (OLG Hamburg v. 14.7.2003 - 8 W 152/03, MDR 2003, 1261; KG JurBüro 2004, 91; OLG München FamRZ 2005, 738 = JurBüro 2004, 380; OLG Naumburg JurBüro 2004, 661; Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 3200 Rz. 75; Hansens, BRAGOReport 2003, 74 ff. [75]; BRAGOReport 2003, 95 ff. [96]; Enders, JurBüro 2003, 561 [562], Ziff. 2.2.). Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht nicht binnen einer angemessenen Zeit von sich aus eine Kostenentscheidung trifft (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, RVG-VV, 17. Aufl., 3200 Rz. 76). Weiter hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist die sofortige Stellung eines Verwerfungsantrags überflüssig ist, da gem. § 522 Abs. 1 S. 1 ZPO das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Berufungsbegründungsfrist eingehalten ist (OLG München, Beschl. v. 9.8.2001 - 11 W 2027/01; ebenso OLG Karlsruhe BRAGOReport 2001, 65; a.A. OLG Nürnberg JurBüro 1995, 473; OLG Stuttgart JurBüro 2005, 1438; Hansens, JurBüro 1995, 473; N. Schneider, BRAGOReport 2001, 65).

Erst recht hat dies zu gelten, wenn das Gericht bereits darauf hingewiesen hat, dass es von Amts wegen beabsichtigt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen (a.A. OLG Stuttgart JurBüro 2005, 366). Daran ändert auch nichts, dass das Berufungsgericht den Parteien und nicht nur der Berufungsführerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Unabhängig davon war für die Beklagten offensichtlich, dass eine Verwerfung von Amts wegen erfolgen würde, es sei denn, die Klägerin wür...

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