Leitsatz (amtlich)

1. Der allein das Verhältnis zum erstattungspflichtigen Prozessgegner betreffende § 15a Abs. 2 RVG n.F. gilt auch für Altfälle, in denen der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor dem 5.8.2009 erteilt worden ist.

2. Wenn die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren nur teilweise zugesprochen wird, kommt deren Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nur in Betracht, soweit tatsächlich eine Titulierung erfolgt ist. Dabei ist der anzurechnenden Geschäftsgebühr derselbe Gegenstandswert zugrunde zu legen wie der im Hauptsacheverfahren zugesprochenen Geschäftsgebühr.

3. Es handelt sich nicht um dasselbe Verfahren im Sinne der dritten Alternative des § 15 Abs. 2 RVG n.F., wenn die vorprozessuale Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren eingeklagt und die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht wird.

 

Normenkette

RVG n.F. § 15a; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 14.07.2009; Aktenzeichen 63 O 48/09)

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Kempten (Aligäu) vom 14.7.2009 wird dahin abgeändert, dass die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 187,83 EUR festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 71 % und der Beklagte 29 %.

Die Gerichtskosten trägt die Klägerin. Die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

IV. Der Wert der Beschwerde beträgt 205,14 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit restlichen Werklohn i.H.v. 10.914,63 EUR und vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 837,52 EUR (1,3 Geschäftsgebühr i.H.v. 683,80 EUR zzgl. Unkostenpauschale und Umsatzsteuer) geltend gemacht, im Termin vom 17.4.2009 haben die Parteien vor dem LG Kempten (Allgäu) einen Prozessvergleich geschlossen. Dabei hat sich der Beklagte verpflichtet, einen Betrag von 6.500 EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 507,50 EUR an die Klägerin zu bezahlen. Von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs haben die Klägerin 40 % und der Beklagte 60 % übernommen. Die Rechtspflegerin hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 14.7.2009 die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 128,94 EUR festgesetzt und dabei bei den außergerichtlichen Kosten der Klägerin auf die Verfahrensgebühr die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr i.H.v. 683,80 EUR zur Hälfte angerechnet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 683,80 EUR sei voll zu berücksichtigen. Wenn jedoch bei der Klägerin eine außergerichtliche Anwaltstätigkeit gemäß der Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV angerechnet werde, müsse dies in gleicher Weise bei dem ebenfalls vorgerichtlich durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beklagten geschehen.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Hinweis auf die auch auf Altfälle anwendbare Regelung in § 15a Abs. 2 RVG nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel erweist sich zum Teil auch als begründet. Auf Grund der Titulierung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr zugunsten der Klägerin ist diese gemäß der Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Die Anrechnung kann jedoch nur erfolgen, soweit tatsächlich eine Titulierung erfolgt ist.

1. Mit der Verkündung des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30.7.2009 (BGBI I vom 4.8.2008, S. 2449 ff.) ist in das RVG der neue § 15a eingefügt worden und am 5.8.2009 in Kraft getreten (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 und Art. 10 Satz 2 des Gesetzes vom 30.7.2009).

a) Nach § 15a Abs. 2 RVG n.F. kann sich ein Dritter - wie der erstattungspflichtige Prozessgegner im Kostenfestsetzungsverfahren - auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Diese Regelung entspricht - soweit sie die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV betrifft - der schon früher vom Senat vertretenen Rechtsauffassung (vgl. OLG München AnwBl. 2007, 797). Die gegenteilige Rechtsprechung des BGH (NJW 2008, 1323) ist durch die nunmehr erfolgte Klarstellung des Gesetzgebers mit der Einfügung des § 15a RVG überholt (vgl. Hansens AnwBl. 2009, 535 ff.).

b) Da § 15a Abs. 2 RVG n.F. nicht die Berechnung der Vergütung des Rechtsanwalts regelt, sondern das Verhältnis zum erstattungspflichtigen Prozessgegner betrifft, greift die Übergangsregelung des § 60 RVG nicht ein, sondern die Vorschrift ist - unabhängig vom Zeitpunkt der Auftragserteilung - in allen derzeit noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar, also auch in dem vorliegenden Beschwerdeverfahre...

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