Leitsatz (amtlich)

Die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses ist eine eigene Verbindlichkeit des Schuldners. Beschränkt sich der Schuldner auf die Beantwortung von Fragen des Notars, ohne diesem von sich aus Auskünfte zu erteilen, tut er regelmäßig nicht alles in seiner Macht Stehende, um das notarielle Nachlassverzeichnis aufzunehmen, so dass grundsätzlich die Verhängung eines Zwangsgeldes in Betracht kommt.

 

Normenkette

BGB § 2314; ZPO § 888

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Aktenzeichen 35 O 753/20)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 02.06.2022, Az.: 35 O 753/20 aufgehoben.

2. Gegen den Beklagten wird ein Zwangsgeld von 2.500 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise je EUR 500,00 ein Tag Zwangshaft angeordnet, wenn der Beklagte nicht bis zum 9. Dezember 2022 ein amtliches Verzeichnis der von der Erblasserin am 12.01.2019 bei ihrem Tode hinterlassenen Gegenstände (notarielles Nachlassverzeichnis) erstellt.

3. Der Schuldner hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich.

I. Der Kläger (= Gläubiger) hat die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten (= Schuldner) beantragt, damit dieser ein notarielles Nachlassverzeichnis vorlegt.

Der Beklagte war durch Teilanerkenntnis-, Teilversäumnis- und Teilurteil des Landgerichts Memmingen vom 03.12.2020 zur Auskunftserteilung unter gleichzeitiger Vorlage von Belegen verurteilt worden. Auf die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil, mit dem er sich gegen die Verpflichtung zur Belegvorlage wendete, hat der Senat das Urteil des Landgerichts durch Urteil vom 23.08.2021 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Schuldner hat mit Schreiben vom 30.07.2020 das Notariat M. in K. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt, ohne dass dieses in der Folgezeit erstellt worden wäre. Mit Schreiben vom 11.02.2022 hat der Schuldner daraufhin das Notariat V. in B. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt.

Dieses Notariat forderte im Februar 2022 beim Schuldner Unterlagen an, die dieser am 04.03.2022 übersandte. Eine weitere Anfrage des Notariats wurde am 08.04.2022 beantwortet.

Für den 13.09.2022 war offenbar die Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses durch den Notar geplant, der entsprechende Termine an die Parteivertreter mitgeteilt hatte. Nachdem der Rechtsanwalt des Gläubigers Einwände gegen den seitens des Notars übersandten Entwurf mit E-Mail vom 12.09.2022 geäußert hatte, wurde der Termin abgesagt, das Nachlassverzeichnis wurde seitdem nicht erstellt.

Der Gläubiger hatte bereits am 12.01.2022 gegen den Schuldner die Verhängung eines Zwangsgeldes beantragt.

Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 02.06.2022 zurückgewiesen und der dagegen am 14.06.2022 eingelegten sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.08.2022 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.

a) Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

aa) Grundsätzlich ist eine Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil nur möglich, wenn die Berufung dagegen in vollem Umfang zurückgewiesen wurde (st. Rechtsprechung, zuletzt BGH, Beschluss vom 23.09.2021 - I ZB 20/21, NJW 2022, 393 m. w. N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn keine wesentliche Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht erfolgt ist (BGH a. a. O.).

bb) Vorliegend hat der Senat die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zwar nicht vollständig zurückgewiesen, vielmehr das Urteil teilweise abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Allerdings erstreckt sich die Klageabweisung lediglich auf die vom Erstgericht angeordnete Vorlage von Belegen (die auch allein Gegenstand des Berufungsverfahrens war). Deshalb kann vorliegend die Vollstreckung ausnahmsweise aus dem landgerichtlichen Urteil erfolgen, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils durch die Entscheidung des Senats letztlich nur um die Belegvorlage abgeändert wurde und der Tenor des Berufungsurteils aufgrund dessen selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Hinzu kommt, dass dem Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung ausdrücklich in Verbindung mit dem Urteil des Senats erteilt worden ist.

b) Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO liegen (nunmehr) vor.

aa) Die Verpflichtung des Schuldners ist bisher nich...

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