Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Anwendungsbereich von § 409 BGB bei der Abtretung der Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung des § 409 BGB ist zwar unanwendbar, wenn der angezeigten Abtretung ein Abtretungsverbot entgegensteht. Sie greift hingegen ein, wenn der bisherige Gläubiger verfügungsbefugt war und nur die konkrete Abtretungsvereinbarung und das zugrunde liegende Kausalgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv § 134 BGB nichtig sind.

2. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Lebensversicherer die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung auch an den materiell nicht berechtigten Inhaber (wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot).

 

Normenkette

BGB §§ 134, 409 Abs. 1, §§ 413, 793 Abs. 1 S. 2, § 808 Abs. 1 S. 1; VVG § 4 Abs. 1; RDG § 2 Abs. 2, § 3; KWG § 32; ALB § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München (Beschluss vom 01.07.2017; Aktenzeichen 25 U 203/17)

LG München (Beschluss vom 16.12.2016; Aktenzeichen 26 O 6952/16)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2016, Az. 26 O 6952/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einwendungen der Berufung sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

I.

Die von der ... Sachwert AG ausgesprochene Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages ist im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter als wirksam zu behandeln, der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes ist durch die Zahlung an die ... Sachwert AG durch Erfüllung erloschen. Damit ist das Feststellungsbegehren der Klägerin unbegründet; es besteht auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Dabei kann offen bleiben, ob der Kaufvertrag zwischen der ... Sachwert AG und der Klägerin wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 32 KWG und/ oder §§ 3, 2 Abs. 2 RDG) gemäß § 134 BGB nichtig ist und ob die Nichtigkeit auch die vorliegende Abtretung erfassen würde. Denn die Beklagte kann sich, wie das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung entschieden hat, jedenfalls auf den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB berufen. Gegenüber der Beklagten als Schuldnerin galt die ... Sachwert AG nach dieser Vorschrift als berechtigt, über die an sie abgetretenen Ansprüche und Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag zu verfügen.

Nach § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Gläubiger, der dem Schuldner anzeigt, dass er die Forderung abgetreten hat, die angezeigte Abtretung - die hier auch das Recht der ... Sachwert AG zur Kündigung umfasste, § 413 BGB i.V.m. § 409 Abs. 1 BGB - gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Nach § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB steht der Abtretungsanzeige gleich, wenn der Gläubiger dem neuen Gläubiger eine Urkunde über die Abtretung ausgestellt hat und dieser sie dem Schuldner vorlegt.

Vorliegend hat die ... Sachwert AG der Beklagten mit Schreiben vom 02.10.2009 (Anlage B 2) die von der Klägerin unterschriebene Abtretungsanzeige vom 30.09.2009 (Anlage B 3) übersandt und im Anschluss daran mit Schreiben vom 08.10.2009 (Anlage B 4) die streitgegenständliche Versicherung gekündigt, welche sodann von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2009 (Anlage B 7) abgerechnet und der Rückkaufswert ausbezahlt wurde. Die Abtretungsanzeige vom 30.09.2009 stellt eine im Sinne des § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, die von der ... Sachwert AG als Bote überbracht werden konnte (vgl. Roth/ Kieninger in MünchKomm BGB, 7. Aufl., § 409 Rn. 5); zudem erfüllt sie die Voraussetzungen einer Urkunde gemäß § 409 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach ihrem Wortlaut greift die Vorschrift also.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 409 Abs. 1 BGB hier deshalb nicht anwendbar sei, weil die Abtretung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag nichtig sei, da der der Abtretung zugrundeliegende, zwischen ihr und der ... Sachwert AG abgeschlossene Forderungskaufvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, § 134 BGB. Der Schuldnerschutz des § 409 Abs. 1 BGB besteht auch und gerade in einem solchen Fall. Der Senat hält insoweit an seiner den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Rechtsauffassung aus dem Urteil vom 07.04.2017 im Verfahren 25 U 4024/16 fest; das veröffentlichte Urteil des OLG Celle vom 06.04.2017 - 8 U 166/16 -, juris, sowie die von der dortigen Beklagten im Parallelverfahren 25 U 168/17 mit der Berufungserwiderung vorgelegte...

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