Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendungsbereich von § 409 BGB bei der Abtretung der Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 409 BGB setzt die Verfügungsbefugnis des bisherigen Gläubigers der Forderung voraus; sie ist also unanwendbar, wenn der von ihm angezeigten Abtretung ein Abtretungsverbot entgegensteht (BGH, Beschluss vom 12.7.2012 - IX ZR 210/11 -, juris-Rn. 12). Hingegen ist § 409 BGB anwendbar, wenn der bisherige Gläubiger verfügungsbefugt war und nur die konkrete Abtretungsvereinbarung und das zugrunde liegende Kausalgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sind (§ 134 BGB).

 

Normenkette

BGB §§ 134, 409; VVG

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 19.09.2016; Aktenzeichen 2 O 74/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Hannover vom 19.9.2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des LG sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für die erste Instanz - insoweit unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des LG in dem angefochtenen Urteil - und für die Berufungsinstanz auf jeweils bis zu 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens eines bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung (s. Versicherungsschein vom ... Juli 1988, Anlage B 1, Bl. 56 d.A., und Nachtrag zum 1.1.2009, Anlage K 8), die zum 1.1.2025 ablaufen sollte. Zum Vertragsstand vom 1.1.2009 war ein monatlicher Beitrag von 182,18 EUR zu zahlen; die Versicherungssumme belief sich zuletzt auf 58.622,87 EUR. Diese sollte zum Teil bereits vor dem Ablaufdatum - in Teilauszahlungen nach 12, 15, 20, 25 und 30 Jahren - ausgezahlt werden.

Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (AVB) der Beklagten zu Grunde (Anlage B 5, Bl. 132 f. d.A.).

In § 13 der AVB ("Wer erhält die Versicherungsleistung?") heißt es:

"(...)

(3) Sie können Ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten oder verpfänden.

(4) (...) eine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden sind. Der bisherige Berechtigte sind im Regelfall Sie; es können aber auch andere Personen sein, sofern Sie bereits vorher Verfügungen vorgenommen haben."

Die S. AG (im Folgenden: S. AG) war geschäftlich im Bereich des Ankaufs von Lebens- und Rentenversicherungen tätig. Sie ließ sich von den Verkäufern die Ansprüche aus den Verträgen übertragen und sodann die Rückkaufswerte von den Versicherern auszahlen. Den Kaufpreis sollten die Verkäufer nicht sofort, sondern nach einer längeren Vertragslaufzeit erhalten, wobei die Verkäufer zwischen verschiedenen Auszahlungsmodalitäten wählen konnten. Über eine Erlaubnis zum Betrieb von Einlagengeschäften nach dem Gesetz über das Kreditwesen (Banklizenz) verfügte die S. AG nicht.

Unter dem ... August 2009 schloss der Kläger mit der S. AG einen "Kaufvertrag L.2..." (Anlage K 2), wonach der Kläger den vorgenannten Lebensversicherungsvertrag unter Abtretung sämtlicher Rechte an die S. AG verkaufte. Vereinbart war ein Kaufpreis von 41.000 EUR, der jedoch erst nach 8 Jahren an den Kläger ausgezahlt werden sollte. Für den Fall, dass das von der Versicherung an die S. AG ausgezahlte Guthaben nicht den dabei zu Grunde gelegten Rückkaufswert von ca. 20.500 EUR erreicht, sollte der Kaufpreis angepasst werden. Der neue Kaufpreis sollte sich aus dem tatsächlich vom Versicherer an die S. AG ausgezahlten Guthaben errechnen und sich auf das Doppelte dieses Betrages belaufen.

Zusammen mit dem Kaufvertrag unterzeichneten der Kläger und die S. AG eine "Anzeige der Abtretung der bestehenden Versicherungspolice" zur Vorlage bei der Beklagten (Bestandteil der Anlage K 6). Darin erklärte der Kläger als Versicherungsnehmer die Abtretung aller Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis, soweit diese ohne Zustimmung der Versicherungsgesellschaft übertragbar sind, u.a. auch des Kündigungsrechts. Die S. AG erklärte, die Übertragung der Rechte anzunehmen.

Mit Schreiben vom 7.8.2009 teilte die S. AG der Beklagten mit, dass der Kläger die Lebensversicherung an sie übertragen habe (s. Anlage K 6). Dem Schreiben war die vorgenannte Abtretungsanzeige des Klägers beigefügt.

Mit Schreiben vom 14.8.2009 erklärte die S. AG gegenüber der Beklagten die Kündigung der Versicherung zum nächstmöglichen Termin und bat um Überweisung des Auszahlungsbetrages auf ihr Konto (Anlage B 2, Bl. 57 d.A.). In dem Kündigungsschreiben ...

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