Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrags

 

Leitsatz (amtlich)

Ergeben die polizeilichen Feststellungen nach einem Brand in der Pflegehalle einer Tankstelle, dass Brandursache in jedem Fall ein grob nachlässiges Verhalten des Tankstellenbetreibers war, so darf der Unternehmer vor der Kündigung gegenüber dem für ihn als Handelsvertreter tätigen Tankstellenbetreiber nicht die weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung abwarten, wenn er die Kündigung anschließend allein auf die Pflichtwidrigkeit stützt; fristlos hätte er vielmehr zeitnah zu dem Vorfall kündigen müssen, jedenfalls nicht erst über zwei Monate später (im Anschluss an BGH NJW 1999, 1481).

 

Normenkette

HGB § 89a

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 21 O 528/98)

 

Tenor

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 3.7.2000 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer für LG Köln – 21 O 528/98 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Zwar ist in dem Verhalten des Beklagten ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu sehen. Die Klägerin hat aber die fristlose Kündigung verspätet ausgesprochen, so dass die ursprünglich erhobene Räumungsklage, die die Klägerin für erledigt erklärt hat, nicht begründet gewesen ist.

I. Ebenso wie das LG geht auch der Senat davon aus, dass der Beklagte der Klägerin einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gegeben hat. Zwar mag nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht feststehen, dass der Brand in der Pflegehalle unmittelbar durch Schweißarbeiten verursacht worden ist. Bei sämtlichen von dem Sachverständigen S. in Erwägung gezogenen Brandursachen – Schwelbrand durch abtropfende Schweißperlen bei Schweißarbeiten an einem Fahrzeug mit undichter Benzinleitung; Brand durch einen Ladevorgang der Batterie; Einleitung des Brandes durch eine beschädigte Leitung oder einen Kontaktfehler in Steckverbindungen von angeschlossenen Verbrauchern – ist dem Beklagten aber der Vorwurf zu machen, gegen ausdrückliche Vertragsbestimmungen verstoßen zu haben und leichtfertig mit Gefahrstoffen umgegangen zu sein, wie das LG im einzelnen ausgeführt hat. Nach § 1 Abs. 4 des Vertrages waren dem Beklagten Reparaturen an Kraftfahrzeugen wie Blech- und Schweißarbeiten, das Lackieren von Fahrzeugteilen und Fahrzeugen sowie das Abstellen und Lagern von Gebraucht- und Schrottfahrzeugen auf dem Tankstellengrundstück nicht gestattet. Bei allen von ihm in der Pflegehalle vorgenommenen Arbeiten an Kundenfahrzeugen hatte er die Unfallverhütungsvorschriften zu beachten. Gegen diese Verpflichtungen hat der Beklagte in besonders auffälliger Weise verstoßen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war bereits das Abstellen des Opel Kadett mit Undichtigkeit im Benzinsystem in der Fahrzeughalle unzulässig, weil sich ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch bilden konnte. Eine weitere Gefahrerhöhung ergab sich daraus, dass bei einem zuvor durchgeführten Ölwechsel Öl ausgelaufen war. Der Beklagte hat den Wagen mit der defekten Benzinleitung, den er für seine Ehefrau reparieren wollte, auf die Bühne gebracht, um diese defekte Benzinleitung zu reparieren. Er hat zur Durchführung der Arbeiten eine Handlampe an eine Kabeltrommel angeschlossen, in der eine Bohrmaschine und ein Ladegerät für Kfz-Batterien steckten, wobei es zunächst entweder einen Kurzschluss oder einen Fehlkontakt gab. Damit war für ihn eine dritte Gefahrenquelle erkennbar. Wenn er in dieser Situation nach seiner Schilderung die Arbeiten über Stunden zurückstellte und die Pflegehalle völlig unabeaufsichtigt ließ, so dass er erst durch den Brandgeruch aufmerksam wurde, handelte er in hohem Maße fahrlässig. Ein solches Verhalten stellt sich als schwerwiegender Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen und gegen die besonderen Sorgfaltspflichten eines Tankstellenverwalters dar, ohne dass es darauf ankommt, wie der Brand im einzelnen zur Entstehung gelangt ist. Der Beklagte hat durch sein Verhalten in jedem Fall wesentlich zur Ausbreitung des Brandes beigetragen. Das Verhalten des Beklagten zeigt eine hohe Verantwortungslosigkeit (Umgang mit Öl, Benzin, Kurzschluss und stundenlange Nichtbeaufsichtigung), so dass ein wichtiger Grund zur sofortigen Kündigung des Vertrages anzunehmen ist.

Hingegen konnte die Klägerin eine fristlose Kündigung nicht darauf stützen, dass der Beklagte schon früher auf den Tankstellengelände Schweißarbeiten ausgeführt hat. Kleinere Schweißarbeiten in der Pflegehalle stellen nach Auffassung des Senats jedenfalls keinen derart gravierenden Vertragsverstoß dar, dass sie die Klägerin zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt hätten.

II. Die Klage ist aber unbegründet, weil die Klägerin die Kündigung des Vertrages am 23.10.1998 verspätet ausgesp...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge