Leitsatz (amtlich)

Bestellt sich ein Prozessbevollmächtigter für den Beklagten, obwohl dieser bereits Kenntnis von der Klagerücknahme hat, dann kann für die Stellungnahme zur vom Gericht zu treffenden Kostenentscheidung zwar eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG erstattet verlangt werden, allerdings nur auf der Grundlage des Kostenwertes.

 

Normenkette

VV-RVG Nr. 3100; ZPO § 269

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 36 O 221/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 756,48 EUR

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 25. November 2014 erhob die Klägerin Klage und nahm diese unter dem 3. Dezember 2014 wieder zurück. Das Gericht verfügte am 10. Dezember 2014 die Zustellung beider Schriftsätze an die schon in der Klageschrift angegebenen Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit dem Zusatz, dass binnen zwei Wochen Gelegenheit bestehe, Stellung zu nehmen. Gemäß des Empfangsbekenntnisses wurden die Schriftsätze den Prozessbevollmächtigten des Beklagten ausweislich des Kanzleistempels am 18. Dezember 2014 zugestellt. Das Empfangsbekenntnis wurde aber schon am 17. Dezember 2014, kurz nach 8.00 Uhr morgens, an das Landgericht zurückgesandt, wie sich der Faxzeile entnehmen lässt. Kurz nach 11.30 Uhr desselben Tages, was sich wiederum der entsprechenden Faxzeile entnehmen lässt, bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Beklagten, zeigten Verteidigungsbereitschaft für den Beklagten an und baten darum, die "Frist zur Stellungnahme" um einen Monat zu verlängern. Unter dem 29. Dezember 2014 stellten sie für den Beklagten schriftsätzlich den Antrag, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen. Dem kam das Landgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2015 nach, § 269 Abs. 3 Satz 3, 2. Hs. ZPO. Die hiergegen seitens der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht Köln unter dem 7. August 2015 als unbegründet zurück (- 19 W 32/15 -).

Zur Festsetzung angemeldet hat der Beklagte eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nebst Pauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt 958,19 EUR, dies auf der Grundlage des vom Landgericht festgesetzten Streitwertes in Höhe von 12.455,83 EUR.

Der Beklagte behauptet, die Klageschrift sei seinen heutigen Verfahrensbevollmächtigten schon am 16. Dezember 2014 zugestellt worden. Er meint, die Bestellung durch einen Rechtsanwalt bei Gericht sei zur Vermeidung prozessualer Nachteile erforderlich gewesen. Zur Zeit des Bestellungsschriftsatzes hätten seine Verfahrensbevollmächtigten noch keine Kenntnis von der Klagerücknahme gehabt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Einschaltung eines Rechtsanwaltes durch den Beklagten sei angesichts des Umstandes, dass die Klageschrift und der die Klagerücknahme enthaltende Schriftsatz zeitgleich zugeleitet worden seien, nicht mehr nötig gewesen. Der bloße Bestellungsschriftsatz sei weder zweckentsprechend noch notwendig gewesen. Da dieser keine Sachanträge enthalten habe, sei ohnehin nicht Nr. 3100 VV RVG, sondern lediglich Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG anwendbar, so dass - wenn überhaupt - maximal eine 0,8-Verfahrensgebühr angefallen sein könnte. Ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zur Zeit seiner Bestellung die Klageschrift noch nicht kannte, was angesichts der gleichzeitigen Zustellung beider Schriftsätze ohnehin nicht erklärlich sei, sei unerheblich. Denn durch die Klagerücknahme sei ein Prozessrechtsverhältnis bereits nicht mehr vorhanden gewesen.

Nach mehreren, sich teilweise widersprechenden Hinweisen hat die Rechtspflegerin zu Gunsten des Beklagten 201,71 EUR festgesetzt, nämlich eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG nebst Pauschale und Mehrwertsteuer nach einem Kostenwert von 1.225,19 EUR (267,00 EUR Gerichtskosten, Gebühren des Rechtsanwalts der Klägerin in Höhe von 958,19 EUR).

Hiergegen richtet sich der Beklagte mit seinem Rechtsmittel. Er ist der Ansicht, die Rechtspflegerin sei unzutreffender Weise vom Kostenwert ausgegangen. Maßgeblich sei der vom Landgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 12.455,83 EUR. Die Festsetzung der Rechtspflegerin führe dazu, dass die Klägerin zwar die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, dabei aber die zu seinen, des Beklagten, Lasten entstandenen Rechtsanwaltsgebühren im Wesentlichen außer Acht gelassen würden. Er verweist hierzu auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 20. Dezember 2010 - 7 W 2720/10 -. Der Kostenwert stelle allein den Streitwert für das Beschwerdeverfahren dar.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Die Kostenfestsetzung durch die Rechtspflegerin ist rechts- und verfahrensfehlerfrei ergangen.

1. a) Wird der Rechtsanwalt erst nach erfolgter Klagerücknahme mandatiert und stellt er...

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