Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit bei Verfahrensverzögerung

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich werden im Ablehnungsverfahren weder das verfahrensmäßige Vorgehen des erkennenden Gerichts noch dessen Rechtsauffassung und daraus resultierende Entscheidungen überprüft. Lediglich bei einer groben Verletzung von Verfahrensgrundrechten kann sich für die betroffene Partei der Eindruck einer auf Voreingenommenheit beruhender Benachteiligung aufdrängen (Zöller/Vollkommer, ZPO 2010, 28. Aufl., § 42 Rz. 24).

Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Untätigkeit verlangt ein begründetes Befangenheitsgesuch das Vorliegen einer ungebührliche Verfahrensverzögerung, die sich in erheblichem Umfang von dem normalerweise ausgeübten Verfahren entfernt, wie z.B. bei lang andauernder Nichtbearbeitung oder wiederholtem Übersehen eines Antrags.

Eine ungebührliche Verzögerung als grober Verfahrensverstoß kann nicht angenommen werden, wenn der Richter vor der mündlichen Verhandlung durch verschiedenen richterlichen Hinweise eine Aufklärung des Sachverhalts versucht und im Termin keine Entscheidung des Gerichts - auch nicht eine ablehnende - ergehen konnte, da ein Sachantrag klägerseits nicht gestellt wurde, § 331 ZPO.

Nicht zu beanstanden ist, wenn der Richter bei dieser Sachlage im Termin bestimmt, dass neuer Termin nur auf Antrag bestimmt werden soll. Wird dann kein Antrag auf erneute Terminierung gestellt und unterbleibt daher eine Terminierung, kann auch dies die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigen.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 15.01.2010; Aktenzeichen 86 AR (40 F 226/08) 67/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des AG Bonn vom 15.1.2010 (86 AR (40 F 226/08) 67/09) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

 

Gründe

Die gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das AG mit der angefochtenen Entscheidung das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter am AG J. für unbegründet erachtet. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Geeignet in diesem Sinne sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache und der Partei nicht unvoreingenommen gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; entscheidend ist vielmehr allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die für eine ruhig und vernünftige denkende Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters ihr ggü. zu zweifeln (vgl. zusammenfassend Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 9 m.w.N.). Gemessen an diesen Maßstäben bleibt das Ablehnungsgesuch ohne Erfolg.

Hierzu wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Ergänzend ist folgendes anzumerken.

Grundsätzlich, was auch im angefochtenen Beschluss zu Recht hervorgehoben wird, werden im Ablehnungsverfahren weder das verfahrensmäßige Vorgehen des erkennenden Gerichts noch dessen Rechtsauffassung und daraus resultierende Entscheidungen überprüft. Lediglich bei einer groben Verletzung von Verfahrensgrundrechten kann sich für die betroffene Partei der Eindruck einer auf Voreingenommenheit beruhender Benachteiligung aufdrängen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 24). In Zusammenhang mit dem Vorwurf der Untätigkeit, der hier erhoben wird, verlangt ein begründetes Befangenheitsgesuch das Vorliegen einer ungebührliche Verfahrensverzögerung, die sich in erheblichem Umfang von dem normalerweise ausgeübten Verfahren entfernt, wie z.B. bei lang andauernder Nichtbearbeitung oder wiederholtem Übersehen eines Antrags. Dazu fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte.

Der seit März 2009 als Familienrichter tätige und mit diesem Verfahren befasste Richter hat noch im März, und zwar am 20.3.2009 einen Hinweisbeschluss erlassen, der sich an beide Parteien richtete und ihnen Gelegenheit zum weiteren Vorbringen gab. Auf den Vortrag des Klägers hat der Richter am 6.5.2009 und nochmals am 14.7.2009 mit ergänzenden Hinweisen reagiert, da das Vorbringen aus seiner Sicht noch nicht ausreichend war. Zugleich hat er auf die Rechtslage hingewiesen. Nach weiterem Vortrag der Klägerseite hat der Richter unter dem 1.9.2009 Termin auf den 17.11.2009 anberaumt, nicht ohne nochmals die Problematik der rechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs gegen einzelne Großeltern aufzuzeigen. In dem Termin vom 17.11.2009 hat der Richter seine Rechtsmeinung in der Weise dargelegt, dass er den Klageanspruch als (noch) nicht schlüssig angesehen hat...

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