Entscheidungsstichwort (Thema)

Streit über längeren Aufenthalt des Kindes keine Entscheidung bei Meinungsverschiedenheit der Eltern

 

Leitsatz (amtlich)

Gerichtliche Entscheidungen bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern gem. § 1628 BGB beziehen sich nur auf eine einzelne Angelegenheit oder eine bestimmte Art von Angelegenheiten, nicht dagegen auf die Entscheidung der grundsätzlichen Frage des Wohnsitzes, also bei wem das Kind überwiegend leben soll. § 1628 BGB ist restriktiv auszulegen und auf situative Entscheidungen zu beschränken (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1628 BGB Rz. 3 m.w.N.).

Eine angestrebte Regelung des Aufenthalts und der Betreuung des gemeinsamen Kindes über einen Zeitraum von fünf Monaten unterfällt dem Regelungsbereich des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und ist nicht lediglich als situative Angelegenheit i.S.d. § 1628 BGB einzuordnen.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1671 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 24.05.2011; Aktenzeichen 408 F 160/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Bonn vom 24.5.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einzureichen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin ist hinsichtlich der Anträge zu Ziff. 1. und 2. der Beschwerdeschrift vom 17.6.2011 zulässig, aber unbegründet.

Unzulässig ist hingegen der erstmals im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag auf Aufteilung der Betreuung bzw. des Aufenthalts in der Zeit bis 19.7.2011 bzw. vom 21.8. bis 31.10.2011 zwischen beiden Eltern. Denn in der Sache handelt es sich bei diesem Begehren um eine Regelung des Umgangs des Kindes mit beiden Elternteilen. Eine Regelung des Umgangs war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Eine anfechtbare gerichtliche Entscheidung über den Umgang der Eltern mit K. i.S.d. § 58 FamFG enthält der angefochtene Beschluss vom 24.5.2011 nicht. Die Beschwerde der Antragstellerin ist insoweit mangels Endentscheidung des AG zum Umgang nicht statthaft. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass eine einstweilige Anordnung des AG zum Umgang auch gem. § 57 FamFG nicht anfechtbar wäre.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das AG im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidungsbefugnis über die Frage, dass das gemeinsame Kind der Beteiligten, K. S., geboren am 11.1.2010, sich in der Zeit vom 1.6.2011 bis 31.10.2011 bei dem Kindesvater auffällt und dort von diesem mit Unterstützung einer Tagesmutter und der Großmutter, Frau T. S., betreut wird, auf den Antragsgegner übertragen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, die er sich zu eigen macht. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.

Zu Recht hat das AG die einstweilige Anordnung auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützt. Gerichtliche Entscheidungen bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern gem. § 1628 BGB beziehen sich nur auf eine einzelne Angelegenheit oder eine bestimmte Art von Angelegenheiten, nicht dagegen auf die Entscheidung der grundsätzlichen Frage des Wohnsitzes, also bei wem das Kind überwiegend leben soll. § 1628 BGB ist restriktiv auszulegen und auf situative Entscheidungen zu beschränken (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1628 BGB Rz. 3 m.w.N.). Vorliegend geht es um die Regelung des Aufenthalts und der Betreuung des gemeinsamen Kindes über einen Zeitraum von fünf Monaten. Dieser - gemessen am Alter des Kindes von eineinhalb Jahren - erhebliche Zeitraum unterfällt dem Regelungsbereich des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und ist nicht lediglich als situative Angelegenheit i.S.d. § 1628 BGB einzuordnen.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung der Kindeseltern, dem Bericht des Verfahrensbeistands und unter Würdigung aller weiteren Umstände entspricht die vom AG getroffene Regelung dem Kindeswohl am besten (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis über den Aufenthalt und die Betreuung des Kindes während der strittigen fünf Monate auf den Vater stellt sicher, dass beide Eltern an der Versorgung und Betreuung des Kindes unter Einbeziehung der wechselseitigen Verhinderungen teilhaben können. Durch den von beiden Eltern gemeinsam abgeschlossenen Vertrag mit der Tagesmutter ist eine Betreuung des Kindes sichergestellt, auch wenn die Eltern teilweise durch ihr Studium oder durch eine Erwerbstätigkeit an der Betreuung gehindert sein sollten. Es ist Aufgabe der Eltern, einvernehmliche Lösungen für die Betreuung und Versorgung ihres gemeinsamen Kindes zu finden und umzusetzen. Der im Termin vor AG erarbeitete taggenaue Plan über die Betreuung von K. unter Ein...

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