Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensdifferenzgebühr, Mehrvergleich im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es bleibt offen, ob bei der Protokollierung eines Vergleichs in einem Beschwerdeverfahren für die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche grundsätzlich - nur - eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3500 VV zum RVG in Höhe von 0,5 oder eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 [bzw. 3201] VV in Höhe von 0,8 [1,1] anfällt.

Jedenfalls wenn in dem Vergleich auch Ansprüche mitgeregelt werden, die Gegenstand eines parallelen Berufungsrechtsstreits waren und in derselben mündlichen Verhandlung erörtert worden sind, entsteht für die nicht rechtshängigen Ansprüche, die eine große Sachnähe zu dem Verfahrensgegenstand des Berufungsverfahrens haben, eine 1,1 - Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3201, 3200 VV.

2. Für die Begrenzung der danach angefallenen Verfahrensgebühr aus Nr. 3201 VV gemäß § 15 Abs. 3 RVG ist der Betrag gemäß der höchsten Gebühr nach dem Gesamtstreitwert (einschließlich Mehrwert und Beschwerdeverfahren) zugrunde zu legen. Anzurechnen sind alle im Beschwerde- und Berufungsverfahren entstandenen Verfahrensgebühren.

 

Normenkette

ZPO § 104 Abs. 3; RVG § 15 Abs. 3; RVG-Vv Nr. 3500; RVG-VV Nrn. 3201, 3200

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 23.04.2015; Aktenzeichen 31 O 484/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 28.4.2015 wird der Beschluss des Rechtspflegers der 31. Zivilkammer des LG Köln vom 23.4.2015 - 31 O 484/10 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels folgendermaßen abgeändert:

Auf Grund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Köln vom 19.3.2012 - 6 W 148/11 - sind von der Schuldnerin (Antragsgegnerin) 7.506,40 EUR - siebentausendfünfhundertundsechs Euro und vierzig Cent - (anstatt 8.531 EUR) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2012 an die Gläubigerin (Antragstellerin) zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.368 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Gläubigerin hatte in dem Verfahren 31 O 484/10 LG Köln gegen die Schuldnerin - und eine natürliche Person - eine einstweilige Verfügung erwirkt. Darin wurde diesen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, bestimmte Polstermöbel (Wohnlandschaft bzw. Sofa), welche sie unter der Bezeichnung "Alessia" vertrieben, wegen der Nähe zu dem Geschmacksmuster der Gläubigerin (Model "Alfa") in Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.

Die Gläubigerin beantragte mit 3 eigenständigen Schriftsätzen vom 21.1.2011 jeweils die Festsetzung von Ordnungsgeld, weil noch nach Kenntnisnahme von der einstweiligen Verfügung entsprechende Möbel ausgeliefert und von Handelspartnern in von ihr zur Verfügung gestelltem Werbematerial weiterhin beworben worden seien sowie die Schuldnerin mit einem Modell "Alessia II", welches weitgehend identisch sei, gegen die Unterlassungsverfügung verstoßen habe. Das LG Köln hat ein Ordnungsgeld von insgesamt 30.000 EUR wegen Verstößen gegen die Unterlassungsverfügung durch Auslieferung (10.000 EUR) und Werbung (20.000 EUR) festgesetzt und den weiteren Antrag (wegen des Modells "Alessia II") mit einer Wertfestsetzung von 10.000 EUR zurückgewiesen. Gegen den entsprechenden Beschluss des LG Köln vom 27.6.2011 haben beide Parteien jeweils sofortige Beschwerde eingelegt, denen das LG nicht abgeholfen hat. Nach Erörterungen und Inaugenscheinnahme aller 3 Polstermöbel in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG Köln - 6 W 148/11 - am 24.2.2012 haben die Parteien in der Folgezeit einen umfassenden Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen der Senat mit Beschluss vom 19.3.2012 im hiesigen Zwangsvollstreckungsverfahren festgestellt hat, nachdem ein in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren auf Widerruf abgeschlossener Vergleich widerrufen worden war.

Parallel dazu hatte die Gläubigerin am 30.3.2011 die Schuldnerin und ihren Geschäftsführer W vor dem LG Köln - 31 O 188/11 - wegen des Modells "Alessia II" auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz verklagt. Ein konkreter Schadensbetrag wurde nicht genannt. Diese Klage wurde mit Urteil vom 17.11.2011 abgewiesen und der Streitwert auf 200.000 EUR festgesetzt. Auf die Berufung der Gläubigerin hat das OLG Köln - 6 U 220/11 - Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24.2.2012 bestimmt. Auch dort wurden die 3 Sofamodelle "Alfa", "Alessia I" und "Alessia II" in Augenschein genommen. Vergleichsmöglichkeiten wurden ausweislich des Protokolls "im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren 6 W 148/11 erörtert", worauf die Parteien "in jenem Beschwerdeverfahren den aus der Anlage ersichtlichen Vergleich" auf Widerruf schlossen. Nach dessen Widerruf haben die Parteien einen etwas abgeänderten Vergleich geschlossen, der vom OLG mit dem oben genannten Beschluss vom 19.3.2012 festgestellt worden ist.

In diesem Verfahren wurden zugunsten der Gläubigerin antragsgemäß u.a. für die Berufung eine 1,6-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV (2.905,60 EUR) ...

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