Entscheidungsstichwort (Thema)

1,6-fache Gebühr nach Nr. 3200 RVG-VV für das Beschwerdeverfahren in einer Erbscheinssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Seit dem Inkrafttreten 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes erhält der im Beschwerdeverfahren eines Erbscheinsverfahrens tätige Rechtsanwalt grundsätzlich eine 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG.

2. Eine Ermäßigung auf eine 1,1-fache Gebühr gemäß Nr. 3201 VV RVG i.V.m. Anm. 2 Nr. 2 findet nur dann statt, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Einlegung und Begründung der Beschwerde sowie die Entgegennahme der gerichtlichen Entscheidung beschränkt, etwa, weil der Beschwerdegegner sich im Beschwerdeverfahren nicht äußert.

3. Im Falle eines kontradiktorisch geführten Beschwerdeverfahrens - etwa, wenn Schriftsätze gewechselt werden, widerstreitende Anträge gestellt werden, zu Hinweisen des Gerichts schriftsätzlich Stellung genommen wird muss oder es zu einem Termin kommt - greift diese Ermäßigung für keine der beiden Seiten.

 

Normenkette

FamFG §§ 85, 352e; RPflG § 11 Abs. 1, § 21 Nr. 1; RVG-VV Vorbem 3.2.1; RVG-VV Nrn. 3200-3201, 3500; RVG § 13; ZPO §§ 97, 104 Abs. 3 S. 1, §§ 567-569, 574 Abs. 2

 

Tenor

Die Beschwerde vom 3. Januar 2022 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Braunschweig - Nachlassgericht - vom 23. Dezember 2021 - 30 VI 1613/16 - wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.625,73 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe der Festsetzung der gegnerischen Anwaltskosten für das Beschwerdeverfahren in einer Erbscheinssache.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 15. Juli 2020 die zur Begründung des Erbscheinsantrags des Antragstellers vom 16. September 2016 erforderlichen Tatsachen gemäß § 352e FamFG für festgestellt erachtet. Der Senat hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen und dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 28. April 2021 - 3 W 8/21 - (Bl. 161-171 Bd. II d.A.) Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragte unter dem 14. Mai 2021, die ihm für die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten gegen den Beschwerdeführer festzusetzen, namentlich eine 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG in Verbindung mit Vorbemerkung 3.2.1 Ziffer 2 lit. b VV RVG nebst Telekommunikationspauschale und Mehrwertsteuer.

Dem ist der Beschwerdeführer unter dem 12. August 2021 teilweise entgegengetreten; eine 1,6-fache Gebühr sei nicht entstanden, denn der mit der Beschwerde angefochtene Beschluss sei keine Endentscheidung im Sinne der Vorbemerkung 3.2.1 Ziffer 2 lit. b VV RVG, sondern gemäß § 352e Abs. 1 FamFG nur die vorbereitende Entscheidung für die Endentscheidung, namentlich die Erbscheinserteilung. Daher verbleibe es bei der 0,5-fachen Beschwerdeverfahrensgebühr gemäß Nr. 3500 VV RVG, hilfsweise allenfalls bei einer 1,1-fachen Gebühr gemäß Nr. 3201 VV RVG. Erhalte ein Rechtsanwalt für die Einlegung und Begründung der Beschwerde nur die 1,1-fache Gebühr, könne durch den bloßen Beschwerdezurückweisungsantrag des gegnerischen Rechtsanwalts nicht eine 1,6-fache Gebühr anfallen.

Die Beteiligten führten mit Schriftsätzen vom 5. Oktober und 1. November 2021 - auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 198 f. und 200 f. d.A.) - weiter zur ihrer jeweiligen Ansicht aus.

Mit angegriffenem Beschluss vom 3. Dezember 2021 hat das Nachlassgericht die vom Beschwerdeführer dem Antragsteller zu erstattenden Kosten antragsgemäß in Höhe von 8.426,15 EUR festgesetzt. Die Gebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG entstehe im Verfahren über Endentscheidungen unter anderem in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit; darum handele es sich hier. Zwar entstehe zunächst eine 1,1-fache Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG und die 1,6-fache Gebühr nach Nr. 3200 VV RVG falle erst an, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz bei Gericht einreiche, der Sachanträge, Sachvortrag oder eine Antragsrücknahme enthalte; dies sei hier allerdings geschehen.

Gegen diesen - ihm am 23. Dezember 2021 zugestellten - Beschluss hat der Beschwerdeführer mit am 4. Januar 2022 eingegangenem Schriftsatz vom Vortag Beschwerde eingelegt; es seien auf Basis einer 1,1-fachen Gebühr nach Nr. 3201 VV RVG lediglich 5.800,42 EUR festzusetzen. Nr. 3201 VV RVG sei auch auf die Rechtsmittelgegnerseite anzuwenden, bei der Nichterwähnung handele es sich um eine omissio neglegens des Gesetzgebers; eine auf die Beschwerdezurückweisung gerichtete Anwaltstätigkeit sei einer solchen zur Beschwerdeeinlegung und -begründung gleichzustellen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz (Bl. 209-211 Bd. II d.A.) Bezug genommen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 5. Januar 2022 - auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 212 Bd. II d.A.) - nicht abgeholfe...

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