Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters; Akteneinsicht ("17 Seiten Schriftsatz im Termin")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein den erkennenden Richter betreffendes Ablehnungsgesuch ist unlässig, wenn mit ihm lediglich der Zweck weiterer Verschleppung des Rechtsstreits verfolgt wird. Auf eine solche Verschleppungsabsicht kann auch aus dem übrigen prozessualen Verhalten der ablehnenden Partei geschlossen werden.

2. Ein umfangreicher (hier: 17 Seiten umfassender) Schriftsatz, der dem Gericht erst in dem Verhandlungstermin überreicht wird, ist nicht zur Vorbereitung dieses Termins geeignet; er ist deshalb kein "vorbereitender" Schriftsatz im Sinne von § 129 Abs. 1 ZPO. Der Richter ist nicht verpflichtet, einen solchen Schriftsatz in dem Termin durchzulesen, um der Partei anschließend die Bezugnahme nach § 137 Abs. 3 ZPO zu ermöglichen. Vielmehr ist die Partei dann gehalten, den wesentlichen Inhalt seines erst im Termin überreichten Schriftsatzes mündlich vorzutragen.

3. Hatte eine Partei bereits hinreichend Gelegenheit, die Prozessakten einzusehen, so ist das Gericht nicht verpflichtet, einem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag dieser Partei auf nochmalige Durchsicht der Akten während des Termins in der Weise zu entsprechen, dass die Sitzung unterbrochen wird und Gericht und Gegner abzuwarten hätten, bis der Antragsteller die Akten abermals durchgearbeitet hat.

4. Das Recht der Partei nach § 299 Abs. 1 ZPO wird durch seine Ausübung nicht verbraucht; die Partei und ihr Bevollmächtigter können deshalb die Akten auch mehrfach einsehen. Hatte eine Seite indes in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Akteneinsicht, so kann sie nicht allein dadurch, dass sie bittet, die Akten abermals einsehen zu dürfen, erreichen, dass das Verfahren in Stillstand gerät, bis dies geschehen ist.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 1-2, § 44 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 128 Abs. 1, § 129 Abs. 1, §§ 132, 137 Abs. 1-2, § 160 Abs. 3, §§ 294, 299 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 6

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 19.09.2008; Aktenzeichen 11 O 56/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten 23.10.2008 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG B. vom 19.9.2008 - 11 O 56/07 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Zurückweisung seines Frau Richterin am LG H. betreffenden Ablehnungsgesuchs ist zulässig. Das Rechtsmittel ist gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthaft. Es ist auch fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdeschrift des Beklagten vom 23.10.2008 ist an diesem Tage bei dem LG per Telefax eingereicht worden. Dies hat die Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewahrt, da sich eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Beklagten vor dem 9.10.2008 nicht feststellen lässt. Während die Prozessbevollmächtigten des Klägers und des Drittwiderbeklagten jeweils durch Unterzeichnung und Rücksendung des ihnen mit dem Beschluss des LG zugeleiteten vorbereiteten Empfangsbekenntnisses bestätigt haben, dass er ihnen am 22. bzw. am 23.9.2008 zugegangen ist, ist ein entsprechendes Empfangsbekenntnis des Beklagten nicht zur Akte gelangt, so dass dann die Zustellung an ihn gegen Postzustellungsurkunde veranlasst worden ist. Hiernach ist die Zustellung am 9.10.2008 bewirkt worden.

II. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das LG hat

dem Frau Richterin am LG H. betreffenden Ablehnungsgesuch zu Recht nicht entsprochen. Vielmehr ist dieses Gesuch - entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses - bereits unzulässig (hierzu unten unter Ziff. 1). Zudem ist es auch in der Sache nicht begründet (unten unter Ziff. 2). Ein Grund, die Entscheidung über die sofortige Beschwerde weiter zurückzustellen, besteht nicht (unten Ziff. 3). Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für ein Ablehnungsgesuch fehlt mit der Folge, dass dieses Gesuch unzulässig ist, u.a. dann, wenn mit ihm verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden, weil es allein darauf zielt, das Verfahren zu verschleppen (vgl. OLG Brandenburg OLGReport Brandenburg 2000, 35 f.; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2007, 157 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 42 Rz. 6). So liegt es hier. Das Handeln des Beklagten ist seit der am 15.3.2007 erfolgten Klagezustellung ersichtlich darauf angelegt, eine Entscheidung in der Sache zu verhindern, wie eine Gesamtschau seines bisherigen Prozessverhaltens zweifelsfrei belegt. In diese Vorgehensweise fügt sich auch das neuerliche, nunmehr gegen die jetzt im ersten Rechtszug mit der Sache befasste Richterin am LG H. gerichtete Ablehnungsgesuch.

Bereits das Verhalten des Beklagten bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 9.11.2007 indiziert eine solche Verschleppungsabsicht. Der Senat hat dieses Verhalten im Einzelnen in seinem in der vorliegenden Sache ergangenen Beschl. v. 19.5.2008 - 2 W 34/08 - betreffend die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am LG D. beschrieben. Jener Beschluss ist dem Bekla...

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