Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung einer Partei, die aus einem später aufgehobenen, jedoch zunächst vorläufig vollstreckbaren Urteil vorgeht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erleidet der scheinbare Schuldner wegen der Vollstreckung aus einem später aufgehobenen Titel einen mittelbaren anderweitigen Vermögensschaden, scheidet eine Betrugshaftung des Scheingläubigers mangels Stoffgleichheit aus.

2. Erlangt ein Dritter von vermögensrechtlich unerheblichen Vollstreckungsmaßnahmen Kenntnis und reagiert er darauf in einer für den Scheinschuldner nachteiligen Weise (hier: Stornierung einer Anstellungszusage) ist eine derartige Schadensfolge nicht mehr vom Schutzzweck des § 717 Abs. 2 ZPO erfasst, wenn der Gläubiger die Fehlerhaftigkeit des vorläufig vollstreckbaren Urteils nicht kannte.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 826; ZPO §§ 138, 717 Abs. 2; StGB § 263

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 4 O 63/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.12.2003; Aktenzeichen I ZR 50/01)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mainz vom 15.2.2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich der zugesprochene Feststellungswiderklageantrag der Beklagten (Ziffer 3. des Versäumnisurteils vom 20.7.1999) erledigt hat.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann jedoch die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 45.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Die Parteien können die Sicherheit auch durch die selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines Kreditinstituts stellen, das die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 S. 3 ZVG erfüllt.

 

Tatbestand

Der Kläger hat in den Jahren 1979 und 1980 für die Beklagte und deren damaligen Ehemann ein Haus errichtet. Im Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe erwarb die Beklagte das Haus 1988 zu Alleineigentum. Als es dann 1991 zu Rissbildungen kam, leitete die Beklagte zunächst ein Beweissicherungsverfahren ein und erhob 1993 wegen der Sanierungskosten Zahlungsklage gegen den Kläger. Durch eine landgerichtliche Entscheidung, die 1995 erging, wurde der Kläger wegen arglistigen Verhaltens zu einer Ersatzleistung von 133.195 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Entscheidung stützte sich auf gutachterliche Aussagen im Beweissicherungsverfahren und im Hauptprozess, wonach das Gebäude auf den Betonkellerboden gegründet worden sei, ohne dass man die vertraglich geschuldeten Streifenfundamente gesetzt habe.

Im Berufungverfahren wurde ein weiteres Gutachten eingeholt. Der insoweit beauftragte Sachverständige gelangte zu der Feststellung, dass tatsächlich Streifenfundamente vorhanden seien. Daraufhin wies das OLG das Zahlungsverlangen der Beklagten 1997 unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung ab, weil dem Kläger keine Arglist anzulasten sei; im Übrigen greife jedenfalls die von ihm erhobene Verjährungseinrede.

Nach dem Erlass des landgerichtlichen Urteils hatte die Beklagte die Zwangsvollstreckung betrieben. Das führte dazu, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung abgab. Folgt man dessen Vorbringen, war eben dieser Umstand ausschlaggebend dafür, dass eine Anstellungszusage zu seinen Gunsten, die ihm ab 1.6.1996 ein Monatsgehalt von 6.000 DM und Zusatzleistungen in Aussicht gestellt habe, rückgängig gemacht wurde. Daraus hat der Kläger bezogen auf die Zeit bis zum 30.11.1998 einen Einkommensverlust von 236.350 DM und – unter Gegenrechnung der stattdessen von ihm tatsächlich erzielten geringeren Einkünfte – gegenüber der Beklagten einen Schadensersatzanspruch von 160.464,25 DM hergeleitet. Im Hinblick darauf hat er im vorliegenden Rechtsstreit 157.350,25 DM nebst Zinsen eingeklagt. Wegen des Differenzbetrags von 3.096 DM hat er die Aufrechnung gegen einen Kostenrückerstattungsanspruch der Beklagten erklärt, der auf eine entsprechende Überzahlung im Anschluss an den Vorprozess zurückgeht.

Die Beklagte hat eine Schadensersatzpflicht geleugnet und widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von 3.096 DM zuzüglich Zinsen sowie die Feststellung dahin beantragt, dass sie dem Kläger im Zusammenhang mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung generell nicht ersatzpflichtig sei. Diesem Begehren ist das LG unter Abweisung der Klage gefolgt.

Das greift der Kläger mit der Berufung an. Er erneuert seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag und erweitert ihn um 85.000 DM nebst Zinsen, indem er einen zusätzlichen Verdienstausfall geltend macht. Außerdem erhebt er, wie dies schon anfänglich in erster Instanz geschehen war, positive Feststellungsklage wegen der Haftung der Beklagten für sämtliche mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbundenen Schäden. In Erneuerung seines Vorbringens wirft er der Beklagten vor, den Vorprozess betrügerisch geführt zu haben. Sie habe dort wider besseres Wissen vorgetragen, dass er die Fundamente des Hauses nicht – wie geschuldet – gesetzt habe. Die Beklagte bestreitet die Richtigkeit diese...

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