Leitsatz (amtlich)

1. Der Schutzrechtsverletzer muss dem Verletzten im Rahmen der Auskunftspflicht nach § 242 BGB regelmäßig neben Rechnungen auch zusätzlich vorhandene Lieferscheine zu demselben Vorgang vorlegen.

2. Ein Klageantrag, den Beklagten zu verurteilen, die von ihm bis zu einem angegebenen Tag in den Verkehr gebrachten, konkret bezeichneten Erzeugnisse endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen, genügt dem Bestimmtheitsgebot nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

3. a) Ein Anspruch des Abgemahnten auf eine Rechnung nach § 14 UStG betreffend die ihm gegenüber erbrachte Abmahnleistung des Abmahnenden besteht nicht in einem Fall, in dem nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Oktober 2021 (III C 2 - S 7100/19/10001:006, DOK 2021/0998752, MwStR 2021, 912) die Behandlung der Abmahnung als nicht umsatzsteuerbare Leistung nicht beanstandet wird.

b) Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Abmahnende die vor dem 1. November 2021 durchgeführte Abmahnung nicht als steuerbare Leistung an den Abgemahnten behandelt, indem er vom Abgemahnten lediglich die Erstattung des Nettobetrags der verauslagten Anwaltsgebühren verlangt und Umsatzsteuer auf diesen vom Abgemahnten verlangten Betrag weder vom Abgemahnten fordert noch an das Finanzamt abführt und auch nicht auf eine etwaige Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweist, und auch der Abgemahnte den Vorgang nicht anders behandelt, indem er weder über den geforderten Betrag hinaus Umsatzsteuer an den Abmahnenden oder das Finanzamt leistet noch solche gegenüber dem Finanzamt im Weg des Vorsteuerabzugs geltend macht.

 

Tenor

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 14. Dezember 2022 - 6 U 255/21:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 3. August 2021, Az. 2 O 124/17, wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird der Ausspruch unter IV. des vorbezeichneten Urteils des Landgerichts Mannheim dahin geändert, dass der dort angegebene Betrag - insoweit unter weitergehender Klageabweisung im Übrigen - auf 4.839,50 EUR ermäßigt wird; im Übrigen wird die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

4. Dieses Urteil und das zu 1. bezeichnete Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Jede der Parteien kann die Vollstreckung der gegen sie vollstreckbaren Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils gegen sie vollstreckbaren Kostenbetrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrags leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung hinsichtlich der Verurteilungen zu I., zu II. und zu III. des zu 1. bezeichneten Urteils des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 5.000 EUR und hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung durch Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags jeweils abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der betreffenden Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe beziehungsweise in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen, soweit die Anschlussberufung hinsichtlich deren Anträgen zu (i) und zu (ii) zurückgewiesen wird. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin hat mit der vorliegenden Klage gegenüber der Beklagten u.a. Ansprüche auf Unterlassung wegen - durch die Beklagte zugestandener - Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 965 014 (im Folgenden: Klagepatent) geltend gemacht, welche die Parteien nach Ablauf des Klagepatents übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Weiterhin verlangt die Klägerin Unterlassung angeblichen unlauteren Wettbewerbs. Ferner macht sie Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz geltend, die sie für den Zeitraum bis zum Ablauf des Klagepatents auf Patentverletzung und - im Hauptantrag: nur - für den anschließenden Zeitraum auf unlauteren Wettbewerb stützt. Ferner macht die Klägerin wegen der behaupteten Patentverletzung Ansprüche auf Herausgabe zur Vernichtung und Rückruf und/oder Entfernung geltend. Schließlich fordert sie die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

[...]

Das Klagepatent, das durch die Rechtsvorgängerin [...] der als Inhaberin im Register eingetragenen Klägerin am 11. Februar 1998 angemeldet und dessen Erteilung mit Wirkung u.a. für Deutschland am 26. Juni 2002 veröffentlicht wurde, betrifft ein Verbindungs- und Anschlussstück für Wellrohre.

Beide Parteien betätigen sich auf dem Angebotsmarkt für Verbindungsstücke für Wellrohre (sog. Fittings). [...]

[...]

Gegenstand des Verletzungsvorwurfs sind die durch die Beklagte in Deutschland hergestellten und bundesweit seit dem Jahr 2016 angebotenen und in den Verkehr gebrachten, durch Angestellte der Klägerin erstmals im September 2016 entdeckten Fittings der Produktbezeichnung [...] (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsform). [...]

Di...

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