Leitsatz (amtlich)

1. Dem Anspruch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse gemäß § 140a Abs. 3 S. 1 PatG steht nicht entgegen, dass der Verletzer seinen Sitz im Ausland hat.

2. Der im Ausland ansässige Lieferant, der aufgrund der Lieferung an einen ausländischen Abnehmer wegen Patentverletzung in Anspruch genommen wird, haftet nur dann, wenn er positive Kenntnis davon hat, dass der Abnehmer die patentgemäßen Gegenstände seinerseits bestimmungsgemäß (direkt oder indirekt) zumindest auch ins Inland liefert.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 10.12.2013; Aktenzeichen 2 O 180/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.05.2017; Aktenzeichen X ZR 120/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Mannheim vom 10.12.2013 (Az. 2 O 180/12) werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte 90 %, die Klägerin 10 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil des LG Mannheim vom 10.12.2013 (Az. 2 O 180/12) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird im Hinblick auf die Frage des Rückrufsanspruchs nach § 140a Abs. 3 PatG bei ausländischen Beklagten und im Hinblick auf die Frage der patentrechtlichen Haftung ausländischer Lieferanten für Lieferungen an ausländische Abnehmer zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf/Entfernung aus den Vertriebswegen in Anspruch und begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Die Klägerin, eine japanische Gesellschaft, ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 291 158 B 2 (im Folgenden "Klagepatent"), welches ein Abdichtsystem für aufblasbare Gegenstände zum Gegenstand hat. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität vom 11.09.2001 aus DE 20115003 U am 06.09.2002 angemeldet; die Anmeldung wurde am 12.03.2003, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 12.07.2006 veröffentlicht. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den benannten Vertragsstaaten. Der deutsche Teil des Klagepatents, das zuvor ein Einspruchsverfahren vor dem EPA durchlaufen hatte, war Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, welche zu dem in Anlage K 19 vorliegenden, am 28.08.2013 an Verkündungs statt zugestellten Urteil des Bundespatentgerichts vom 02.07.2013 (Az.: 4 Ni 52/11 (EP), verbunden mit 4 Ni 27/12 (EP)) geführt hat. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage hinsichtlich des Anspruchs 3 abgewiesen und Anspruch 1 durch Aufnahme eines zusätzlichen Merkmals für teilweise nichtig erklärt. Die dagegen gerichteten Berufungen wurden mittlerweile zurückgenommen.

Die im Streitfall geltend gemachten Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents lauten danach wie folgt:

Anspruch 1:

System zum Abdichten aufblasbarer Gegenstände, insbesondere Reifen, mit wenigstens einem ein Abdichtmittel enthaltenden Behälter (11), der einen Gaseinlass (13) und einen mit einem abzudichtenden Gegenstand koppelbaren Auslass (15) aufweist, und einer an den Gaseinlass (13) des Behälters (11) anschließbaren und zumindest teilweise in einem Gehäuse (17) untergebrachten Gasdruckquelle, insbesondere einem elektrisch betreibbaren Kompressor, wobei das Gehäuse (17) der Gasdruckquelle zumindest einen Kopplungsabschnitt (19) aufweist, an dem der Behälter (11) zur Herstellung eines Benutzungszustands mit dem Gehäuse (17) mechanisch und insbesondere form- und/oder kraftschlüssig koppelbar ist derart, dass das auf dem Boden stehende Gehäuse (17) der Gasdruckquelle als Standfuß für den bestimmungsgemäß orientierten Behälter (11) dient, wobei der Behälter (11) auf das Gehäuse (17) aufschiebbar und/oder aufsteckbar ist, und wobei die mechanische Verbindung des Behälters (11) mit dem Gehäuse (17) getrennt von der Fluidverbindung zwischen dem Behälter (11) und der Gasdruckquelle ist.

Anspruch 3:

System zum Abdichten aufblasbarer Gegenstände, insbesondere Reifen, mit wenigstens einem ein Abdichtmittel enthaltenden Behälter (11), der einen Gaseinlass (13) und einen mit einem abzudichtenden Gegenstand koppelbaren Auslass (15) aufweist, und einer an den Gaseinlass (13) des Behälters (11) anschließbaren und zumindest teilweise in einem Gehäuse (17) untergebrachten Gasdruckquelle, insbesondere einem elektrisch betreibbaren Kompressor, wobei das Gehäuse (17) der Gasdruckquelle zumindest einen Kopplungsabschnitt (19) aufweist, an dem der Behälter (11) zur Herstellung eines Benutzungszustands mit dem Gehäuse (17) mechanisch und insbesondere form- und/oder kraftschlüssig koppelbar ist derart, dass das auf dem Boden stehende Gehäuse (17) der Gasdruckquelle als Standfuß für den bestimmungsgemäß orientierten Behälter (11) dient, wobei der Gaseinl...

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