Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung. Beschwerde gegen Streitwertfestsetzung

 

Verfahrensgang

AG Sinsheim (Beschluss vom 16.06.1998; Aktenzeichen 20 F 183/97)

 

Tenor

Auf die Beschwerde von Rechtsanwalt … wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Sinsheim (20 F 183/97) vom 16.6.1998 abgeändert und der Einzelgegenstandswert für die Ehesache auf 8.190 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 16.6.1998 (AS. 47) hat das Familiengericht den Einzelgegenstandswert für das Scheidungsverfahren in Höhe von 5.250 DM festgesetzt. Es hat dabei das dreifache Nettoeinkommen des Antragsgegners mit monatlich 3.250 DM zugrundegelegt und hiervon monatlich 1.500 DM wegen der Unterhaltspflicht für drei Kinder abgezogen. Das von der Antragstellerin bezogene Unterhaltsgeld von wöchentlich 226,20 DM = monatlich ([226,20 DM × 52]: 12) 980,20 DM berücksichtigte es nicht streitwerterhöhend.

Gegen den Beschluß richtet sich die am 25.6.1998 eingelegte Beschwerde des Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin mit dem Ziel, daß der Streitwert auf 8.190 DM angehoben wird.

Er macht geltend, der Vierteljahresbetrag des von der Antragstellerin seit Juni 1997 bezogenen Unterhaltsgelds sei dem Wert hinzuzurechnen. Unter Nettoeinkommen im Sinne von § 12 Abs. 2 GKG würden auch Sozialleistungen fallen, zumindest die Leistungen nach § 153 f. SGB III, die der Leistungsempfänger „erdient habe” bzw. zurückerstatten müsse, wenn er nicht vor der Maßnahme Pflichtversicherungsbeiträge abgeführt habe oder im Anschluß an die Maßnahme nicht mindestens drei Jahre lang eine Versicherungspflichtige Beschäftigung ausübe.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, 25 Abs. 2 GKG, 567 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache gerechtfertigt.

Sie führt zu einer Anhebung des Einzelgegenstandswerts für die Ehesache auf 8.190 DM. Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG stellt neben dem Umfang und der Bedeutung der Sache auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien ab. Gemäß Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags hatte der Antragsgegner Erwerbseinkünfte von monatlich 3.250 DM. Eine evtl. spätere Verringerung des Einkommens infolge Arbeitslosigkeit des Antragsgegners wirkt sich nicht streitwertmindernd aus, da gemäß § 15 GKG für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung maßgebend ist.

Dagegen ist das von der Antragsgegnerin bei Beginn des Scheidungsverfahrens bereits bezogene Unterhaltsgeld als streitwertrelevantes Einkommen einzubeziehen.

Allerdings ist nach der in Rechtsprechung und Literatur wohl herrschenden Meinung der Bezug von Sozialhilfeleistungen bei der Festsetzung des Streitwerts nicht als Einkommen zu werten (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 1997, 35; vgl. dort auch zum Meinungsstand). Dies wird insbesondere wegen der Subsidiarität solcher Leistungen verneint. Unter Hinweis auf die Subsidiarität der Leistung gemäß §§ 134 Abs. 1 Nr. 3, 137 AFG a.F. (heute §§ 193, 203 SGB III nach Inkrafttreten (am 1.1.1998) des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung v. 24.3.1997) hat das Oberlandesgericht Karlsruhe auch Arbeitslosenhilfe nicht als Einkommen i.S. von § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG gewertet (16. Zivil-Familien-Senat, FamRZ 1998, 572; ebenso OLG Bremen, FamRZ 1992, 709 = JurBüro 1992, 113). Sozial- und Arbeitslosenhilfe würden vor allem deshalb geleistet, weil die finanzielle Situation der betreffenden Person schlecht sei, sie insbesondere kein ausreichendes eigenes Einkommen erziele. Eine solche Hilfe würde es nicht rechtfertigen, die Parteien eben wegen dieser Hilfe infolge eines höheren Streitwerts mit höheren Gerichts- und Anwaltsgebühren zu belasten (OLG Karlsruhe, a.a.O., 572).

Gemessen an diesen für die Nichtberücksichtigung staatlicher Hilfeleistungen entwickelten Grundsätzen ist das Unterhaltsgeld gemäß § 153 SGB III der Sozial- oder Arbeitslosenhilfe nicht vergleichbar.

Es wird nicht nur subsidiär gezahlt. Der Senat hat auch zum Unterhalts Geld in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß das Unterhaltsgeld als Lohn- bzw. Einkommensersatz auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen ist (vgl. Beschluß v. 2.4.1997 – 2 WF 24/97 –). Dies bedeutet, daß es z.B. die ehelichen Lebensverhältnisse prägen kann, und nicht nur hilfsweise eine Lücke schließt, die durch Unterhaltsleistungen nicht gedeckt wird. Hinzu kommt, daß das für eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung und Umschulung an Arbeitnehmer gezahlte Unterhaltsgeld – anders als Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe (vgl. hierzu § 193 SGB III) – nicht Bedürftigkeit voraussetzt, sondern auch dann gezahlt wird, wenn etwa der Berechtigte zwar kein Erwerbseinkommen, aber z.B. Kapitalerträgnisse oder Mieteinkünfte erzielt (vgl. §§ 158 f. SGB III). Es stellt damit keine bedarfsabhängige Sozialhilfeleistung dar, die es rechtfertigen würde, bei der Streitwertbemessung es wie Sozialhilfe unberücksic...

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