Leitsatz (amtlich)

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger unmittelbar vor Eintritt der Verjährung des Anspruchs Verhandlungen darüber, ob der Schuldner für einen bestimmten Zeitpunkt auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet, so ist die Verjährung nach § 203 S. 1 BGB gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Die Verjährung tritt dann nach § 203 S. 2 BGB frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

 

Normenkette

BGB § 203

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 03.11.2005; Aktenzeichen 8 O 130/05)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten v. 27.12.2005 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug wird zurückgewiesen.

2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 3.11.2005 - 8 O 130/05 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

3. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 17.2.2006.

 

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Prozessführung in der Berufungsinstanz keine Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 114, 115 ZPO). Der Rechtssache kommt darüber hinaus weder grundsätzliche Bedeutung zu noch bedarf es zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer anfechtbaren Entscheidung des Berufungsgerichts. Daher beabsichtigt der Senat, die Berufung des Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO zu verwerfen.

I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten eine Forderung aus zwei Bürgschaftserklärungen geltend.

Der Beklagte war Gesellschafter und Geschäftsführer der A.C.M. GmbH (zukünftig: Gesellschaft). Er übernahm am 10.2.1988 eine selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten der Klägerin bis zum Betrag von 250.000 DM (Anlage K 1) und am 15.5.1990 eine weitere selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 300.000 DM (Anlage K 2). Beide Bürgschaften sicherten die Ansprüche der Klägerin aus ihrer Geschäftsverbindung mit der Gesellschaft. Die Klägerin, eine Bank, gewährte der Gesellschaft u.a. einen Kontokorrentkredit über 425.000 DM (Anlage K 3), der zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch mit 212.608 EUR offen war. In der Zeit vom 8.12.1999 bis 29.3.2005 sind Zinsen i.H.v. 45.184,79 EUR angefallen (Forderungsaufstellung v. 30.3.2005, Anlage K 6). Über das Vermögen der Gesellschaft war im Dezember 1999 der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die Klägerin kündigte das Kreditverhältnis mit der Gesellschaft und nahm den Beklagten mit Schreiben v. 18.1.2000 aus der Bürgschaft in Anspruch. Die Klägerin stützt ihre Forderung in erster Linie auf die Bürgschaft aus dem Jahr 1988 und in zweiter Linie auf die Bürgschaft aus dem Jahr 1990.

Mit Schreiben vom 2.12.2004 wies die Klägerin den Beklagten unter Benennung geschuldeter Forderungen mit Bezeichnung einer Darlehensnummer, der Inkassonummer, der Kosten, der Zinsen, der Hauptforderung und der Gesamtforderung auf die drohende Verjährung zum Jahresende hin und bat ihn auf der beiliegenden Erklärung um Bestätigung einer Verjährungsverzichtserklärung wegen dessen Darlehensverpflichtungen (Anlage K 5 = B. 1). Auf dem beiliegenden Erklärungsvordruck räumte die Klägerin dem Beklagten ein Widerrufsrecht (Frist zwei Wochen) ein und kündigte für den Fall des Widerrufs die unverzügliche Titulierung der Forderungen im Wege eines durch den Schuldner abzugebenden notariellen Schuldanerkenntnisses oder im Wege eines gerichtlichen Mahnbescheids an (Anlage K 6 = B. 2). Der Beklagte unterzeichnete die Verzichtserklärung zunächst unter dem Datum des 23.12.2004 mit dem Zusatz "unter Aufrechterhaltung aller mir zustehenden Rechte und Einreden" (Anlage K 6 = B. 2) und unterzeichnete die Erklärung ohne Einschränkung nachdem die Klägerin den Zusatz aufgenommen hatte, wonach mit der Erklärung kein Schuldanerkenntnis verbunden sei und keine neuen Rechte und Ansprüche begründet würden (Anlage K 7 = B. 3). Mit Schreiben vom 3.1.2005 widerrief er diese "Verjährungszusage(n)" (Anlage B 4). Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, der Sachbearbeiter der Klägerin habe ihm für den Ablauf des Jahres 2004 ein großzügiges Erlassangebot zugesagt, nur deshalb habe er kein Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung beantragt. Außerdem sicherten die Bürgschaftserklärungen aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht den Kontokorrentkredit. Mit Schriftsatz v. 27.10.2005 (AS I 111), der am Tag, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, (Anordnung nach § 128 ZPO, AS I 95) bei Gericht einging, behauptete der Kläger, die Hauptforderung bestehe nicht in der geltend gemachten Höhe; die Forderung betrage insgesamt 217.943 EUR.

Das LG hat der Klage nach Vernehmung des Zeugen St. antragsgemäß stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 212.608 EUR zzgl. 45.184,79 EUR (= 257.792,79 EUR) nebst Zinsen verurteilt. Den Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz v. 27.10.2005 hat es als verspätet und im Übrigen als unerheblich zurückgewiesen. Die Bürgschaftserklärungen sicherten die g...

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