Leitsatz (amtlich)

Die Beiordnung als Pflichtverteidiger nach § 140 StPOerstreckt sich nicht auf die Tätigkeiten im Rahmen des Adhäsionsverfahrens

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht M. wird der Beschluss des Landgerichts M. vom 11. April 2012 aufgehoben.

Die Erinnerung des Rechtsanwalts S. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts M. vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 15.4.2011 wurde dem mittlerweile durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts M. vom 22.9.2011 Verurteilten Y. L. als Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. beigeordnet. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens wurde der durch die Straftat Geschädigte als Nebenkläger zugelassen. Mit Urteil vom 22.9.2011 wurde Y. L. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu der Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten sowie auf mit Anwaltsschreiben vom 13.9.2011 erhobenen Adhäsionsantrag zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 EUR nebst Zinsen an den Neben- und Adhäsionskläger verurteilt. Die Kosten des Verfahrens sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger entstandenen notwendigen Auslagen sowie die Kosten des Adhäsionsverfahrens wurden dem Verurteilten auferlegt.

Am 22.2.2012 beantragte der Verteidiger die Festsetzung der Kosten gegen die Staatskasse. Unter anderem machte er die Gebühr für das Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten gem. § 13 RVG Nr. 4143 VV RVG mit einem Satz von 2,0 in Höhe von 450 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer geltend. Mit Beschluss vom 27.2.2012 lehnte die Kostenbeamtin des Landgerichts die Erstattung der genannte Gebühr ab, weil der Verteidiger für das Adhäsionsverfahren nicht beigeordnet worden sei.

Gegen diese Ablehnung richtete der Verteidiger die Erinnerung vom 6.3.2012, mit der er eine Vergütung gem. § 13 RVG Nr. 4143 VV RVG in Höhe von insgesamt 559,30 EUR begehrte.

Nach Übertragung der Entscheidung über die Erinnerung durch die zunächst zuständige Einzelrichterin auf die Kammer gem. § 33 Abs. 8 RVG ergänzte diese mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.4.2012 den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.2.2012 um die Vergütung des Pflichtverteidigers für seine Tätigkeit im Adhäsionsverfahren in Höhe von 535,50 EUR (Gebühr in Höhe von 225 EUR bei einem Gegenstandswert von 6.000 EUR mit einem Satz von 2,0 zuzüglich Mehrwertsteuer gemäß der Tabelle zu § 49 RVG) und verwarf die Erinnerung im Übrigen (wegen eines Rechenfehlers in Höhe von 23,80 EUR). Die Kammer vertritt die Auffassung, dass die Beiordnung des Verteidigers als Pflichtverteidiger auch die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren umfasse und eine gesonderte Beiordnung nicht erforderlich sei.

Gegen den der Bezirksrevisorin am 16.4.2012 zugestellten Beschluss erhob diese mit Datum vom 19.4.2012 "sofortige" Beschwerde, der die Kammer mit Beschluss vom 26.4.2012 aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abhalf. Rechtsanwalt S. ist mit Schriftsatz vom 13.7.2012 der Beschwerde entgegen getreten.

II.

Die zulässige - gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG befristete - Beschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 11.4.2012 sowie zur Zurückweisung der Erinnerung gegen den landgerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.2.2012.

Dem als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalt steht ein Gebührenanspruch gegen die Landeskasse für das Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten gem. § 13 RVG, Nr. 4143 VV RVG nicht zu.

1. Ein Anspruch nach § 45 Abs. 1 RVG scheitert schon daran, dass Rechtsanwalt S. nicht im Wege der Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 StPO, § 114 ZPO beigeordnet worden war.

2. Ein Erstattungsanspruch (gemäß § 45 Abs. 3 RVG) ergibt sich auch nicht aus der Bestellung von Rechtsanwalt S. als Pflichtverteidiger gem. § 140 StPO durch Beschluss des Amtsgerichts M. vom 15.4.2011.

a) Entgegen der in § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO ausdrücklich vorgesehenen gesonderten Beiordnung eines Anwalts zur Verteidigung gegen einen Adhäsionsantrag vertreten einige Obergerichte und die ganz überwiegende Literatur die Auffassung, die Bestellung als Pflichtverteidiger beinhalte automatisch auch die Befugnis zur Verteidigung gegen einen gestellten Adhäsionsantrag, ohne dass es einer gesonderten Bestellung bedürfe (OLG Schleswig, NStZ 1998, 101; OLG Hamm, StraFo 2001, 361; OLG Köln, StraFo 2005, 394; OLG Hamburg [1. Strafsenat], wistra 2006, 37; OLG Dresden, AGS 2007, 404; OLG Rostock, StV 2011, 656 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Rdn. 5 zu § 140; LR-Laufhütte, StPO, 26. Aufl., Rdn. 4 zu § 140; Burhoff, RVG, 3. Aufl., Rdn. 19 zu Nr. 4143 VV).

Hierbei wird im wesentlichen argumentiert, dass die Bestellung als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 StPO für das gesamte Strafverfahren gelte und damit auch für das Adhäsionsverfahren als Teil des Strafverfahrens. Eine Tren...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge