Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Bei der Entscheidung über Nichteignung eines Adhäsionsantrages gemäß § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

  • 2.

    Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine Abwägung zwischen den Interessen der Geschädigten, ihre Ansprüche in einem Adhäsionsverfahren durchzusetzen, und den Interessen des Staates, seinen Strafanspruch möglichst effektiv zu verfolgen sowie dem Interesse des Angeklagten an einem fairen und schnellen Verfahrensfortgang vorzunehmen. Den Opferinteressen kommt dabei ein hohes, aber nicht von vornherein ein überwiegendes Gewicht zu.

  • 3.

    Auch nach der Änderung der Adhäsionsvorschriften durch das OpferRRG können die in der Rechtsprechung für den früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätze zur Ungeeignetheit eines Adhäsionsantrages im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Entscheidung gemäß § 406 Abs.1 Satz 4 StPO berücksichtigt werden.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 06.06.2005; Aktenzeichen 620 Kls 5/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Adhäsionsantragstellerin E plc vom 13. Juni 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 20, vom 6. Juni 2005 wird auf Kosten der Adhäsionsantragstellerin, die auch die durch die sofortige Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten F, R und W trägt, verworfen.

 

Gründe

Sachverhalt für die Veröffentlichung ( nicht Teil der verkündeten Entscheidung)

Den sechs Angeklagten dieses Verfahrens wird mit der Anklageschrift vom 26. März 2004 unter anderem zur Last gelegt, in der Zeit von September 2000 bis zum 31. Januar 2001 einen gemeinschaftlichen Betrug in einem besonders schweren Fall (§§ 263 Abs.1 und Abs. 3 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB) begangen zu haben, indem sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans im Rahmen der Verhandlungen über den Verkauf der von der DSF AG an der I. AG gehaltenen Aktien an die in Großbritannien ansässige Firma E plc. die Verantwortlichen der Käuferin sowie deren Berater über die tatsächliche Umsatzentwicklung der I AG dadurch täuschten, dass sie zahlreiche fingierte Verträge bzw. Aufträge als reale Geschäfte darstellten und auf diese Weise den Eindruck erweckten, die Firma I. habe durch diese Geschäfte Umsätze in Höhe von insgesamt 11.283.930,00 DM (netto) erwirtschaftet.

Die Käuferin soll daraufhin für den zunächst erworbenen 75%- Anteil der I. AG einen um mindestens 46,7 Mio. EUR überhöhten Kaufpreis in Höhe von ca. 763 Mio. EUR gezahlt haben.

Der Kaufpreis wurde Anfang 2001 teilweise in bar und durch eine Aktienübertragung beglichen.

Die E. plc erlangte gegen die drei aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlichen Angeklagten zivilrechtliche Arreste in unterschiedlicher Höhe. Da die E plc in den Arrestverfahren nach entsprechenden Anträgen gemäß § 926 Abs. 1 ZPO zur Erhebung einer Hauptsacheklage aufgefordert worden war, stellte sie am 4. November 2004 gegen die drei Angeklagten einen Adhäsionsantrag mit dem Antrag, die Angeklagten aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen unerlaubten Handlung zur Rückzahlung des gesamten Kaufpreises zu verpflichten.

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 406a Abs. 1 Satz 1 StPO statthaft, denn der Adhäsionsantrag vom 4. November 2004 ist vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden, eine den Rechtszug in der Hauptsache abschließende Entscheidung hat die Große Strafkammer 20 bisher nicht getroffen. Sie ist auch gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht eine Entscheidung über den Adhäsionsantrag wegen Nichteignung gemäß § 406 Abs. 1 Satz 4 StPO abgelehnt.

Bei der Beurteilung, ob ein Adhäsionsantrag sich für eine Entscheidung in einem Strafverfahren eignet, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (1). Die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Gesichtspunkte sind zur Überzeugung des Senats im Wesentlichen sachgerecht und bilden die Grundlage einer nicht zu beanstandenden Ermessensausübung, der sich der Senat im Rahmen seiner eigenen Ermessensentscheidung (vgl. zur Überprüfungskompetenz des Beschwerdegerichts: Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 309 Rn. 4) zum überwiegenden Teil anschließt (2). Die Ablehnung des Adhäsionsantrages kann auch nicht durch die Möglichkeit, eine Grund- oder Teilentscheidung zu treffen, vermieden werden (3).

1)

Die Entscheidung darüber, ob ein Adhäsionsantrag zur Entscheidung im Strafverfahren geeignet ist, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Meyer- Goßner, StPO- Komm., 48. Aufl., § 406 Rn. 12 m.w.N.). Soweit vor der Neufassung der Vorschriften über das Adhäsionsverfahren durch das Opferrechtsreformgesetz zum 1. September 2004 (OpferRRG, BGBl Teil I, S. 1354) Streit darüber bestand, ob dem Gericht bei der Entscheidung über die Eignung bzw. Nichteignung eines Adhäsionsantrages ein Ermessen zustehe oder nicht (gegen einen Ermessensspielraum: SK- Velten, § 405 a.F. Rn. 11; Stöc...

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