Entscheidungsstichwort (Thema)

rechtliches Gehör. Messunterlagen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Die unterbliebene Beiziehung von Messunterlagen berührt nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; OwiG § 80 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Titisee-Neustadt (Entscheidung vom 05.09.2017; Aktenzeichen B 22 OWi 530 Js 19921/17 (2))

AG Titisee-Neustadt (Entscheidung vom 07.02.2018)

 

Tenor

  1. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 5.9.2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beschluss des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 7.2.2018 wird aufgehoben.
  3. Der Antrag des Betroffenen, gegen das Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 5.9.2017 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird als unbegründet verworfen.
  4. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 5.9.2017 verurteilte das Amtsgericht Titisee-Neustadt den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu der Geldbuße von 70 €. Das in Abwesenheit des Betroffenen, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war, und des Verteidigers verkündete Urteil wurde am 12.9.2017 zugestellt. Am 13.9.2017 wurde mit Schriftsatz des Verteidigers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung (durch den Verteidiger) beantragt und hilfsweise Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Die am 12.10.2017 eingekommene Antragsbegründung gelangte zunächst nicht zu den Akten, weshalb das Amtsgericht mit Beschluss vom 7.2.2018 den Zulassungsantrag als unzulässig verwarf. Nachdem der Verwerfungsbeschluss dem Verteidiger jedenfalls am 23.2.2018 zugegangen war, wurde mit Verteidigerschriftsatz am 1.3.2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Antragsbegründung unter Nachholung derselben sowie die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung wurde inzwischen rechtskräftig zurückgewiesen.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil - wie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - keine Säumnis vorliegt. Deshalb ist auch der den Zulassungsantrag als unzulässig verwerfende Beschluss des Amtsgerichts vom 7.2.2018 aufzuheben.

III.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Im angefochtenen Urteil ist lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100 € festgesetzt worden. Nach § 80 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG darf daher die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 13.03.2019 Bezug.

Zur Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bemerkt der Senat ergänzend:

1. Soweit Verteidigungsvorbringen deshalb unberücksichtigt geblieben ist, weil es in der Hauptverhandlung deshalb nicht vorgebracht wurde, weil ihr der Verteidiger fernblieb, nachdem die Abladung des Betroffenen nach der Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Kanzlei des Verteidigers fälschlich als Terminsaufhebung notiert worden war, beruht dies - wie in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend näher ausgeführt ist - nicht auf einem Verhalten des Gerichts und kann schon deshalb keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör begründen.

2. Ohne dass es danach noch für die Entscheidung darauf ankommt, schließt sich der Senat im Übrigen der in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ausgeführten Auffassung an, dass die unterbliebene Beiziehung von Messunterlagen keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör begründen kann. Der gegenteiligen Auffassung im Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 27.4.2018 (NZV 2018, 275; ebenso OLG Celle DAR 2012, 216 und Beschluss vom 16.6.2016 - 1 Ss (OWi) 96/16, juris; OLG Oldenburg DAR 2015, 406) kann insoweit nicht gefolgt werden (ebenso KG DAR 2017, 593, ZfS 2018, 472; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2; 2018, 541). Zur Reichweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist dazu im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.1.1983 (BVerfGE 63, 45, bei juris Rn. 47) zutreffend ausgeführt: "Art. 103 Abs. 1 GG will verhindern, dass das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet. Sein Schutzbereich ist hingegen nicht mehr berührt, wenn die wes...

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