Leitsatz (amtlich)

1. Die Beweislast für eine überwiegende Verursachung eines Bandscheibenvorfalls durch einen Unfall liegt beim Versicherungsnehmer.

2. Für die Abwägung ist ohne Belang, ob der Vorfall durch den Unfall symptomatisch geworden ist. Entscheidend sind Schwere von Trauma und Vorschaden.

 

Normenkette

AUB 88 § 2 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 3 O 323/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.6.2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Paderborn teilweise abgeändert und so neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten genommenen Unfallversicherung geltend, welcher die AUB 88 zugrunde liegen. Während seiner Tätigkeit als Rettungsassistent versuchte er am 12.7.2002, einen von einer Ablage rutschenden ca. 20 kg schweren Einsatzkoffer abzufangen. Dabei wurde sein linker Arm heftig nach unten gezogen. Anschließend wurde bei dem Kläger ein Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule im Segment C 6/7 diagnostiziert.

Die Parteien streiten darüber, ob das Ereignis vom 12.7.2002 überwiegende Ursache – i.S.d. § 2 III Abs. 2 S. 2 AUB 88 – für die bei dem Kläger vorhandene Bandscheibenschädigung ist.

Das LG hat der Klage nach Einholen eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 19.940,38 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, zwar habe nach dem Gutachten bei dem Kläger vor dem Unfall bereits eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule vorgelegen, möglicherweise habe auch bereits ein Bandscheibenvorfall in dem Bereich C 6/7 vorgelegen; diese Veränderung sei aber jedenfalls beschwerdefrei gewesen und habe keinen Krankheitswert gehabt; der Unfall sei daher überwiegende Ursache für den seither schmerzhaften Bandscheibenschaden. Wegen der Einzelheiten der Begründung und des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die – vollständige – Abweisung der Klage. Sie vertritt insb. die Auffassung, das LG habe den Begriff der „überwiegenden Ursache” in § 2 III Abs. 2 AUB 88 verkannt.

Der Kläger behauptet weiterhin, eine degenerative Veränderung sei vor dem Unfall nur in einem anderen Bereich der Wirbelsäule vorhanden gewesen. Im Übrigen verteidigt er das Urteil mit näheren Ausführungen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H.; hierzu wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II. Die Berufung ist begründet. Dem Kläger stehen aufgrund des Ereignisses vom 12.7.2000 keine Ansprüche aus der Unfallversicherung zu.

Nach § 2 III Abs. 2 S. 1 AUB 88 sind Schädigungen an den Bandscheiben grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Dies ist gem. S. 2 dieser Bestimmung nur dann anders, wenn ein Unfallereignis (i.S.d. § 1 III AUB 88) die überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung ist. Dafür ist nach jedenfalls h.M., welcher der Senat folgt, der Kläger beweispflichtig (vgl. OLG Nürnberg, r+s 2001, 217; OLG Hamm, r+s 2001, 439 m.w.N.; Grimm, Unfallversicherung, 3. Aufl., § 2 Rz. 101); das ergibt sich aus der Formulierung des Satzes 2 als Gegenausnahme (vgl. allgemein BGH v. 27.9.1995 – IV ZR 283/94, MDR 1996, 50 = VersR 1995, 1433; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 1 Rz. 41).

Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt.

Wie der Sachverständige Dr. H. bereits in erster Instanz ausgeführt und vor dem Senat mündlich erneut erläutert hat, war bereits vor dem Ereignis vom 12.7.2000 bei dem Kläger im Bereich C 6/7 eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule vorhanden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe auch bereits ein Bandscheibenvorfall vorgelegen. Es sei so, dass die vorhandene Bandscheibenschädigung durch den Unfall symptomatisch geworden sei. In welcher Weise dieser die Bandscheibe ggf. zusätzlich geschädigt habe, lasse sich aber nicht feststellen. Der Unfall sei nicht geeignet gewesen, eine isoliert traumatische Schädigung der Bandscheiben herbeizuführen. Knöcherne Verletzungen an der Wirbelsäule seien nicht erfolgt. Der Senat folgt diesen Ausführungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde und Erfahrung keine Zweifel bestehen. Es ist hiernach – zu Lasten des beweispflichtigen Klägers – davon auszugehen, dass die Schädigung der Bandscheiben, auf welche § 2 III Abs. 2 AUB 88 abstellt, überwiegend bereits vor dem Unfall vorhanden war.

Aus zahlreichen ähnlichen Verfahren ist im Übrigen auch senatsbekannt, dass für eine überwiegende Verursachung eines Bandscheibenvorfalls durch ein Unfallereignis ein Trauma von einer weit größeren Intensität erforderlich ist, als es im Streitfall in Rede steht (vgl. etwa OLG Hamm, r+s 1995, 439).

Der Unfall war somit nicht überwiegende Ursache für die Bandscheibenschädigung. Dass, wie der Sachverständige bestätigt hat, die Bandscheibenschädigung vor dem Unfal...

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