Entscheidungsstichwort (Thema)

(Kommunale) Haftpflichtversicherung: Schaden an einem Ableitungsrohr im Grundstück des Versicherungsnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wächst auf einem Grundstück des Versicherungsnehmers eine Wurzel in ein Ableitungsrohr, welches Wasser vom Grundstück eines Dritten abführt, führt allein dies nach den üblichen Haftpflichtversicherungs-Bedingungen nicht zur Deckungspflicht des Versicherers. Es fehlt an einem Drittschaden. Anders ist es, wenn das in Rede stehende Rohrstück (obwohl es im Grundstück des Versicherungsnehmers liegt) im Eigentum des Dritten steht (hier verneint).

2. Ein in einigen Meter Tiefe eingebrachtes Rohrstück ist (vorbehaltlich besonderer Umstände) gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, in welchem es liegt.

3. Bei einem Störungsbeseitungsanspruch ist der Versicherer nach den üblichen Bedingungen nur deckungspflichtig, wenn mit der Störung ein Sachschaden des Dritten einhergeht (Anschluss an BGH, Urteil vom 8.12.1999 - IV ZR 40/99). Hier verneint.

4. Es bleibt offen, ob (und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen) der Haftpflichtversicherer Abwehrdeckung schuldet, wenn nach der rechtlichen Begründung, welche der Dritte für seinen Anspruch vorbringt, Deckungsschutz zu bejahen wäre, nicht aber - bei "richtiger" rechtlicher Würdigung - nach den tatsächlichen Behauptungen des Dritten.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 27.01.2016)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.1.2016 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die klagende Stadt hat bei dem Beklagten eine Haftpflichtversicherung genommen und begehrt Deckungsschutz.

Sie wird von den Eigentümern eines Hausgrundstücks in Anspruch genommen auf Ersatz von Reparaturkosten, die entstanden seien durch Wurzeleinwuchs in eine Abwasserleitung. Der betreffende Baum steht auf städtischem Grund. Dort liegt auch jener Teil der Abwasserleitung, in welchen die Wurzeln eingewachsen sein sollen.

Im Einzelnen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Abwässer des im Eigentum der Eheleute E (im Folgenden: Anlieger) stehenden Hausgrundstücks B-Straße 24b in S-Stadt werden entsprechend der Abwasserbeseitigungssatzung der Klägerin vom 04.02.2010 in die öffentliche Abwasseranlage geführt.

Die vom Haus der Anlieger zur im öffentlichen Straßengrund verlaufenden Kanalisation führenden Leitungen stellen gemäß § 2 Nr. 7 der Abwasserbeseitigungssatzung der Klägerin die sog. Anschlussleitungen dar, welche gemäß § 2 Nr. 6 lit. b der Satzung nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehören.

Gemäß § 2 Nr. 7 lit. b der Satzung werden dabei die Leitungen, die vom Gebäude bis zur privaten Grundstücksgrenze verlaufen, als Hausanschlussleitungen bezeichnet. Grundstücksanschlussleitungen sind demgegenüber gemäß § 2 Nr. 7 lit. a der Satzung die Leitungen, die von der privaten Grundstücksgrenze bis zur öffentlichen Abwasseranlage führen.

Die Herstellung, Erneuerung und Veränderung sowie der laufende Unterhalt der haustechnischen Abwasseranlagen sowie der Anschlussleitung auf dem anzuschließenden Grundstück hat gemäß § 13 Abs. 6 der Satzung der Grundstückseigentümer auf seine Kosten durchzuführen.

Auf die zur Akte gereichte Abwasserbeseitigungssatzung wird im Übrigen Bezug genommen (Bl. 34 ff. der Akten).

Unstreitig meldeten die Anlieger der Klägerin im September 2013 einen Schaden durch Wurzeleinwuchs in das Stück der Abwasserleitung, das im städtischen Grundstück die Abwässer des Hauses der Anlieger zur öffentlichen Kanalisation führte (Grundstücksanschlussleitung). Die Anlieger beauftragten mehrere Fachfirmen mit der Durchführung von Fräsarbeiten und schließlich mit dem Austausch des betroffenen Rohrstücks und nehmen die Klägerin auf Erstattung ihrer Aufwendungen i.H.v. 5.524,62 Euro in Anspruch.

Die Klägerin hat diese Forderung bislang nicht beglichen, sondern auf den Beklagten verwiesen.

Gemäß Nr. 1.1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AHB 1.14 GVV-Kommunal (im Folgenden: AHB) besteht Versicherungsschutz

"im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass Sie wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden oder das Abhandenkommen von Sachen oder eine Vermögenseinbuße, die weder durch eine Personen- oder Sachbeschädigung herbeigeführt ist, zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden."

Gemäß Nr. 4.1 AHB umfasst der Versicherungsschutz

"die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Schadenersatzansprüche und Ihre Freistellung von berechtigten Schadenersatzverpflichtungen."

Wegen der weiteren vertraglichen Regelungen wird auf die zur Akte gereichten AHB (Bl. 27 ff.) sowie auf die Kopie des Versicherungsscheins vom 03.12.2012 (Bl. 265 ff.) Bezug genommen...

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