Normenkette

HPflG § 2 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 16 O 78/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.11.2000 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Wuppertal – 16 O 78/00 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat zu Recht dem Grunde nach die Haftung der Beklagten gem. § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG bejaht.

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG ist der Inhaber einer Anlage zum Schadensersatz verpflichtet, wenn durch die Wirkungen von Flüssigkeiten, die von einer Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Abgabe der Flüssigkeiten ausgehen, eine Sache beschädigt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Das Kanalisationsnetz im Bereich der S.-Straße nebst dem Blindschacht unter dem Parkstreifen fällt unter den Begriff der Rohrleitungsanlage in § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG. Diese Vorschrift erfasst nicht nur alle Wasserleitungen und die gesamte städtische Kanalisation, sondern beispielsweise auch Bestandteile dieser Anlagen wie einen Revisionsschacht (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., § 22 Rz. 58) und damit ebenfalls den Blindschacht unterhalb des Parkstreifens zwischen dem Gehweg und der Straße selbst, in dem sich die Tonscherben und das abgerissene Bogenstück befanden.

Durch die Wirkungen des Abwassers, das von diesem Kanalnetz ausging, ist eine Sache der Klägerin beschädigt worden. Dadurch, dass das Abwasser nicht vollständig abfließen konnte, wurden zumindest die Kellerwände im Hause der Klägerin durchfeuchtet und damit das Eigentum der Klägerin beschädigt.

Die hier zu beurteilende Fallkonstellation wird auch von der Gefährdungshaftung des § 2 Abs. 1 HPflG erfasst. Das LG hat richtig ausgeführt, dass hier nicht ein Fall des Rückstaus vorliegt. Vielmehr konnte das Wasser im Hause der Klägerin aufgrund einer nachträglich aufgetretenen Funktionsbeeinträchtigung überhaupt nicht ordnungsgemäß abfließen, weil sich im Blindschacht u.a. ein Bogenstück verkantet hatte.

Ferner scheitert ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht daran, dass sie keine Rückstausicherung eingebaut hat. Gemäß § 3 Abs. 4 der städtischen Entwässerungssatzung hat sich zwar jeder Anschlussnehmer gegen den Rückstau des Abwassers aus dem städtischen Entwässerungsnetz in das angeschlossene Grundstück zu schützen. Hier handelt es sich aber – wie zuvor ausgeführt – nicht um einen Rückstau.

Aus der Eigentumsverletzung der Klägerin entstandene Schäden hat die Beklagte zu ersetzen. Denn die Beklagte ist die Inhaberin der Anlage, und zwar des Blindschachtes unter dem Parkstreifen der S.-Straße. Allein auf diesen Teil der Rohrleitungsanlage ist hier abzustellen. In dem Blindschacht hat sich – wie zwischen den Parteien nicht streitig ist – das Bogenstück derart festgesetzt, dass das Abwasser vom Grundstück der Beklagten nicht mehr ungehindert abfließen konnte.

In der Regel handelt es sich bei dem Inhaber der Anlage um den Eigentümer. Das Eigentum ist aber nur ein Indiz. Für die Beantwortung der Frage nach der Inhaberschaft ist es entscheidend, wer „Herr der Gefahr” ist. Es ist darauf abzustellen, wem die tatsächliche Verfügungsgewalt bzw. Herrschaft über den Betrieb der Anlage zusteht. Dabei muss es sich um eine eigenverantwortliche und wirtschaftliche Herrschaft handeln (vgl. Filthaut, 5. Aufl. 1998, § 2 HPflG Rz. 43 und 44; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl., § 22 Rz. 51). Wer nach außen hin als der für die Anlage Verantwortliche erscheint und tatsächlich in der Lage ist, Schaden durch die Anlage zu verhindern, ist deren Inhaber (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1999, 967 [968]. Soweit eine Entwässerungssatzung regelt, dass sowohl die Herstellung als auch die Unterhaltung der Anschlussleitung vom Prüfschacht bis zur Straßenleitung dem Anschlussnehmer obliegt, spricht dies für dessen Inhaberschaft (vgl. Filthaut, 5. Aufl. 1998, § 2 HPflG Rz. 45). Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte Inhaberin des Blindschachtes.

Die Umstände deuten bereits darauf hin, dass die Beklagte Eigentümerin des Blindschachtes gem. § 946 BGB ist, weil die unter dem öffentlichen Parkstreifen verlegten Kanalisationsleitungen wegen ihrer festen Verbindung mit dem Grund und Boden wesentlicher Bestandteil der Gemeindestraße nach § 94 Abs. 1 S. 1 BGB sind. Selbst wenn es sich bei den unter dem öffentlichen Parkstreifen verlegten Kanalisationsleitungen aber lediglich um einen Scheinbestandteil der Gemeindestraße gem. § 95 Abs. 1 S. 1 BGB handelte, würde dies an der Inhaberschaft der Beklagten nichts ändern. Denn die Beklagte ist „Herrin der Gefahr”. Sie hat die tatsächliche Herrschaft über die Rohrleitungsanlage im Bereich des Blindschachtes. Nach § 10 Abs. 2 der städtischen Entwässerungssatzung führt die Stadt selbst oder durch einen von ihr beauftragten Unternehmer die Herstellung, Erneuerung und Veränderung, die Unterhaltung (Reinigung, Ausbesserung) sowie die Beseitigung von Grundstücksanschlussle...

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