Leitsatz (amtlich)

Die Klausel in einem Unfallversicherungsvertrag, wonach eine Erweiterung des Unfallsbegriffs dahingehend erfolgt, dass als Unfall auch gilt, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden (Ziffer 1.4. AUB 2010), ist wirksam.

Die vom Senat zugelassene Revision ist seitens des Klägers eingelegt worden. Das Revisionsverfahren ist unter dem Az. IV ZR 159/18 bei dem Bundesgerichtshof anhängig.

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.11.2019; Aktenzeichen IV ZR 159/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11.05.2017 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der klagende Verein nimmt den beklagten Versicherer auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung "erhöhte" Kraftanstrengung in dessen Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen in Anspruch.

Der Kläger ist in der Liste der qualifizierten Einrichtungen gem. § 4 UKlaG des Bundesamtes der Justiz eingetragen. Die Beklagte verwendet in ihren Versicherungsbedingungen zur Unfallversicherung (AUB 2010, Bl. 49 ff. GA) u.a. folgende Regelung:

"Der Versicherungsumfang

1. Was ist versichert?

1.1 Wir bieten Versicherungsschutz bei Unfällen, die der versicherten Person während der Wirksamkeit des Vertrags zustoßen.

(...)

1.3 Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

1.4 Als Unfall gilt auch,

wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule

- ein Gelenk verrenkt wird oder

- Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden oder wenn der Versicherte anlässlich der rechtmäßigen Verteidigung oder der Bemühung zur Rettung von Menschenleben, Tieren oder von Sachen eine Gesundheitsschädigung erleidet."

(...)

Mit Schreiben vom 28.01.2016 (Bl. 9 ff. GA) forderte der Kläger die Beklagte auf, es zu unterlassen, die Formulierung "erhöhte" in Ziffer 1.4 der AUB 2010 zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge auf diese oder inhaltsgleiche Klauseln zu berufen, soweit dies nicht gegenüber Unternehmern im Sinne von § 14 BGB geschehe. Der Kläger forderte die Beklagte mit diesem Schreiben zudem auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung (Bl. 16 f. GA) abzugeben.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22.02.2016 (Bl. 18 GA) mit, keine Veranlassung zu sehen, dieser Aufforderung nachzukommen.

Der Kläger hat die Rechtsmeinung vertreten, die Klausel sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam. In Rechtsprechung und Lehre werde eine Vielzahl von Auslegungsvarianten hinsichtlich dieser Klausel vertreten, was zeige, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht zu beantworten sei, was unter einer "erhöhten" Kraftanstrengung zu verstehen sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, zu unterlassen,

beim Abschluss von Verträgen über Unfallversicherungen,

- wie in der als Anlage K3 vorgelegten "Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2010)" unter Ziffer 1.4 geschehen -

die folgende - hier durch Fettdruck hervorgehobene - oder eine dieser inhaltsgleiche Versicherungsklausel zu verwenden

und/oder

sich gegenüber Versicherungsnehmern bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge der vorgenannten Art auf diese oder inhaltsgleiche Klausel zu berufen,

sofern dies nicht gegenüber einem Unternehmen im Sinne des § 14 BGB geschieht:

"Der Versicherungsumfang

1. Was ist versichert?

(...)

1.4 Als Unfall gilt auch,

wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule

ein Gelenk verrenkt wird oder

Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden (...)"

2. an ihn 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2016 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage könne keinen Erfolg haben, weil die Klausel den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers erweitere und daher eine den Versicherungsnehmer begünstigende Regelung darstelle. Klauseln, die den Klauselgegner begünstigen, seien niemals nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Daneben sei das Verständnis des Begriffs der erhöhten Kraftanstrengung zwar uneinheitlich, dies beg...

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