Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Wird einem Betroffenen, der eine Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen möchte, gerichtlicherseits mitgeteilt, er könne dies auch schriftlich tun, wird deswegen eine Protokollierung nicht vorgenommen und wird später sein Rechtsmittel nach § 346 Abs. 1 StPO als nicht formgerecht verworfen, so ist der Betroffene aus Gründen der fairen Verfahrensgestaltung über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung zu belehren (Anschluss an BVerfG Beschl. v. 27.09.2005 - 2 BvR 172/04).

  • 2.

    Die Wirkung einer zunächst richtig erteilten Rechtsmittelbelehrung kann durch nachfolgende falsche gerichtlichen Auskünfte entwertet werden.

 

Verfahrensgang

AG Herford (Aktenzeichen 11 OWi 23 Js 1613/07 (716/07))

 

Tenor

  • 1.

    Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

  • 2.

    Dem Betroffenen wird folgende Rechtsmittelbelehrung erteilt:

    Die Frist zur Anbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde beginnt mit Zustellung dieses Beschlusses. Die Frist beträgt eine Woche. Innerhalb dieser Frist ist der Antrag bei dem Amtsgericht Herford zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung - hier also die Begründung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde durch eine vom einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Herford - beim Amtsgericht Herford nachzuholen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Herford hat den Betroffenen mit Urteil vom 16.01.2008 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht zur Anlegung eines Sicherheitsgurtes zu einer Geldbuße von 30 Euro verurteilt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurde ihm mündlich eine Rechtsmittelbelehrung erteilt und ein Merkblatt mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung ausgehändigt.

Gegen das Urteil hat der Betroffene am 22.01.2008 Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt und diese mit Schreiben vom 23.01.2008 - eingegangen am 24.01.2008 - selbst begründet.

Eine weitere Begründung nach Zustellung des Urteils am 11.02.2008 erfolgte nicht.

Das Amtsgericht hat daraufhin den Antrag mit Beschluss vom 17.03.2008 als unzulässig gem. §§ 346, 345 StPO, 80 OWiG verworfen. Der Beschluss ist dem Betroffenen am 28.03.2008 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 03.04.2008, gerichtet an das Oberlandesgericht und dort eingegangen am 04.04.2008 und am 14.04.2008 bei dem AG Herford eingetroffen, hat der Betroffene erneut die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Er wendet sich darin gegen die Beschlussbegründung des Amtsgerichts vom 17.03.2008, wonach er nicht die erforderliche Form für eine Rechtsbeschwerdebegründung eingehalten habe und beruft sich darauf, dass ihm vom Amtsgericht bei Protokollierung der Einlegung des Rechtsmittels mitgeteilt worden sei, dass er eine schriftliche Begründung nachreichen könne, was der "korrekte Weg" sei.

II.

Dem Betroffenen war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 44, 45 StPO, 80 Abs. 3 OWiG in Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

1.

An sich wäre der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts (nachdem dem Betroffenen wegen einer unvollständigen Rechtsmittelbelehrung in diesem Beschluss - es fehlt die Bezeichnung des Gerichts, bei dem der Antrag anzubringen war - Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren gewesen wäre) unbegründet, da dieser Antrag - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht der Form des § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 80 Abs. 3 OWiG genügte.

2.

Grundsätzlich würde auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ausscheiden, weil der Betroffene die verabsäumte Verfahrenshandlung nicht fristgerecht binnen einer Woche nach Zustellung des amtsgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses nachgeholt hat (§ 45 Abs. 2 StPO). Er hatte zwar schon eine Rechtsbeschwerdebegründung schriftlich früher eingereicht. Dabei ist jedoch nicht die Form des § 345 Abs. 2 StPO (Einlegung durch einen Verteidiger, Anwalt oder zu Protokoll der Geschäftsstelle) gewahrt worden. Diese hat der Betroffene - auch nachdem er durch den Verwerfungsbeschluss des Amtsgericht ausdrücklich darüber informiert wurde, dass die privatschriftlliche Begründung nicht ausreicht - nicht formgerecht nachgeholt. Die Nachholung der versäumten Prozesshandlung muss aber in der gesetzlich geforderten Form erfolgen (vgl. BGH NJW 1997, 1516; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 45 Rdn. 11).

3.

Indes verlangt das Bundesverfassungsgericht, dass jedenfalls d...

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