Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Geschwindigkeitsverstoß. Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren. ProViDa 2000. standardisiertes Messverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im Fall einer Berechnung der Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges mittels manueller Weg-/Zeitberechnung anhand des Videobandes durch nachträgliche Auswertung des geeichten Wegstrecken- und Einzelbildzählers im Wege der so genannten Fest- oder Fixpunktmessung ist das Messverfahren ProViDa nicht als standardisiertes Messverfahren anzusehen, mit der Folge, dass im Urteil nähere auch für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbare Ausführungen zur konkreten Geschwindigkeitsfeststellung erforderlich sind.

 

Normenkette

StVG § 24; StVO § 49; OWiG § 46; StPO § 261

 

Verfahrensgang

AG Unna (Entscheidung vom 06.01.2017; Aktenzeichen 172 OWi 766/16)

 

Tenor

Die Sache wird durch Beschluss des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht X als Einzelrichter dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit 3 Richtern übertragen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Unna zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Unna hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 06. Januar 2017 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 180,00 € sowie gleichzeitig ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 14. Juli 2016 gegen 1020 Uhr als Führer eines Pkw auf der BAB 2 im Bereich Bergkamen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h - nach Abzug einer Toleranz von 5 % - um 42 km/h überschritten habe. Für die Messung sei die Verkehrsüberwachungsanlage ProViDa 2000 Modular eingesetzt worden, mit welcher die in der Hauptverhandlung vernommenen Polizeibeamten dem Betroffenen mit ihrem Einsatzfahrzeug nachgefahren seien. Da jedoch bei den Messungen während des Fahrbetriebs nicht alle Voraussetzungen für eine gültige Messung hätten eingehalten werden können, habe anschließend eine Auswertung des Videobandes im Nachhinein mittels nachträglicher Auswertung des geeichten Wegstrecken- und Einzelbildzählers im Wege der so genannten Fest- oder Fixpunktmessung stattgefunden.

Hierzu hat das Amtsgericht dargelegt, die Messung selbst sei für das Gericht derart nachvollziehbar, dass es durch dieses selbst überprüft werden könne. Im Einzelnen ist folgendes ausgeführt:

"Der Zeuge C hat die Durchführung der Messung in der Hauptverhandlung auch anhand des Messvideos, des zu dem Vorfall gefertigten Berechnungsbogens und der aus dem Messvideo gefertigten Videoprint erläutert. Als Fixpunkt auf der Fahrbahn seien jeweils Leitlinien gewählt worden, wobei das Fahrzeug des Betroffenen beim Beginn der Zeitmessung vor und am Ende der Zeitmessung hinter eine Leitlinie gestellt worden sei. Das Kamerabild des Messfahrzeugs sei dann für die Wegmessung vor die Leitlinie gesetzt und die 10 m, die sich der Auftreffpunkt des Kamerabildes vor dem Messfahrzeug befinde, seien hinzugerechnet worden. Die Messung sei beendet worden, als sich der Auftreffpunkt vor der Leitlinie befand, hinter die der Betroffene am Ende der Zeitmessung gesetzt worden sei. Durch die unterschiedliche Position der Fahrzeuge am Ende der Zeit- und der Wegstreckenmessung würden dem Betroffenen noch zusätzliche Toleranzen eingeräumt, weil dadurch die Zeit verlängert und die Wegstrecke verkürzt werde.

Zu Beginn der Zeitmessung für den Betroffenen sei dessen Fahrzeug auf dem Videoprint zwar nicht erkennbar. Jedoch rage der Schatten des Fahrzeugs vor dem unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeug der Marke Audi hervor. Da aufgrund des Schattenwurfs des unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeugs erkennbar sei, dass der Schattenwurf zum Zeitpunkt der Messung an der Messörtlichkeit rechtwinklig zum Fahrzeug erfolgt sei, könne dieser ebenso wie Radaufstandspunkte für die Messung herangezogen werden. Er sei bei der Auswertung zudem auf Nummer sicher gegangen, dass der Schatten des Betroffenen die Leitlinie passiert hätte. Ferner sei aufgrund des Videos auch auszuschließen, dass es sich um den Schatten eines anderen Fahrzeugs handele. Es seien zwischenzeitlich keine anderen Fahrzeuge auf die linke Spur ein- oder von ihr ausgeschert. Am Ende der Zeitmessung sei das Fahrzeug des Betroffenen dagegen sichtbar gewesen. Die Messung sei vollständig in dem Bereich der Baustelle, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch wiederholt beidseitig aufgestellte Vz. 274 auf 80 km/h begrenzt gewesen sei, durchgeführt worden."

Weiter führt das Amtsgericht aus, dass das Messsystem ProViDa als standardisiertes Messverfahren anerkannt und konkrete Einwendungen hinsichtlich der ermittelten Geschwindigkeit seitens des Betroffenen nicht erhoben worden seien; darüber hinaus seien auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung erkennbar.

Konkrete Darlegungen zu der Frage in welchem Zeitabschnitt der Betrof...

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