Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 3 O 623/19)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 21.047,99 EUR nebst Zinsen unter dem Gesichtspunkt anwaltlicher Pflichtverletzung aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer, der Eheleute A, geltend.

Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie vor: Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass den Versicherungsnehmern der Klägerin infolge der Durchführung des Vorprozesses 3 O 219/18 LG Dortmund / 31 U 63/19 OLG Hamm kein Schaden entstanden sei. Wenn ein Mandant einen Rechtsanwalt nur unter der Voraussetzung der Erteilung einer Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung beauftrage, werde der Mandant zwar gleichwohl Kostenschuldner seines Anwalts und ggf. auch der Staatskasse und seines Gegners. Der Mandant erlange aber gleichzeitig einen Befreiungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung, so dass seine Vermögensbilanz von Anfang an ausgeglichen sei. So liege es auch hier, weil der Auftrag der Eheleute A unter der Bedingung der Erteilung der Deckungszusage durch die Klägerin gestanden habe. Weiterhin stehe der Geltendmachung des Regressanspruchs durch die Klägerin der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, weil die Klägerin durch die Erteilung der Deckungszusage einen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen habe, dass sie der Klage hinreichende Erfolgsaussicht beimesse. Zumindest treffe die Klägerin wegen der Erteilung der Deckungszusage ein erhebliches Mitverschulden, welches auch im Verhältnis zur Beklagten zu berücksichtigen sei. Schließlich stehe der Klägerin entgegen der Auffassung des Landgerichts kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu, weil sich die Beklagte im Zeitpunkt des vorprozessualen Anwaltsschreibens der Klägerin vom 03.12.2019 nicht in Verzug befunden habe.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Denn der auf die Erstattung der Kosten des Vorprozesses gerichtete Regressanspruch, der ursprünglich den Versicherungsnehmern der Klägerin zugestanden hat, ist infolge der Zahlung dieser Kosten durch die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf diese übergegangen.

b) Den Versicherungsnehmern der Klägerin hat ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 21.047,99 EUR aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 BGB zugestanden.

aa) Zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und der Beklagten hat ein Anwaltsvertrag bestanden. Denn die Versicherungsnehmer der Klägerin haben die Beklagte unstreitig mit ihrer Interessenwahrnehmung in der hier in Rede stehenden Angelegenheit gegenüber der B-Bank einschließlich der Vertretung in dem Rechtsstreit 3 O 219/18 LG Dortmund / 31 U 63/19 OLG Hamm beauftragt.

bb) Die Beklagte hat ihre anwaltlichen Pflichten gegenüber den Versicherungsnehmern der Klägerin verletzt. Denn der Sachbearbeiter der Beklagten, Rechtsanwalt C, hat die Versicherungsnehmer der Klägerin pflichtwidrig weder auf die Aussichtslosigkeit der Inanspruchnahme der B-Bank hingewiesen noch ihnen davon abgeraten, bei der Klägerin um Deckungsschutz anzufragen und die Klage im Vorprozess zu erheben.

(1) Ein Rechtsanwalt hat den Mandanten in einer Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Er muss den Sachverhalt klären, den er seiner Rechtsprüfung zu Grunde zu legen hat. Anhand des pflichtgemäß in Erfahrung gebrachten Sachverhaltes muss der Anwalt prüfen, ob dieser geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. Soll eine Klage erhoben oder ein Rechtsmittel eingelegt werden, muss der Anwalt die Aussichten des beabsichtigten Prozesses oder des ins Auge gefassten Rechtsmittels prüfen und auf mögliche Bedenken gegen die Erfolgsaussichten hinweisen. Wenn die Prüfung der Sach- und/oder Rechtslage ergibt, dass die beabsichtigte Klage - bzw. das Rechtsmittel - praktisch aussichtslos ist, hat er von der Klageerhebung bzw. Rechtsmitteleinlegung abzuraten (OLG Köln Urteile vom 03.03.2020, Az. 9 U 77/19, und 23.05.2019, Az. 24 U 122/18; OLG Hamburg Urteil vom 27.09.2018, Az. 1 U 2/18; Senat Beschluss vom 08.12.2020, Az. 28 U 54/20, und Urteil vom 18.02.2016...

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