Leitsatz (amtlich)

Mit der Rechtsbeschwerde kann weder beanstandet werden, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch, noch kann gerügt werden, dass das Amtsgericht aufgrund der persönlichen Inaugenscheinnahme einer anderen Person diese im Vergleich mit dem vorliegenden Lichtbild als Täter der Ordnungswidrigkeit zu Unrecht ausgeschlossen habe.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 26.09.2006)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde als unbegründet - im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil vom 26. September 2006 hat das Amtsgericht Essen die Betroffene wegen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG i.V.m. §§ 37 Abs. 2 Ziffer 1, 49 Abs. 3 Ziffer 2 StVO) zu einer Geldbuße von 125,- EUR verurteilt. Ferner hat es der Betroffenen untersagt, für die Dauer eines Monats im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen, wobei das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die sie unter näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen Rechts begründet, wobei sie sich insbesondere gegen die Identifizierung der Betroffenen als Fahrerin wendet.

II.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zu der Rechtsbeschwerde der Betroffenen vom 20.12.2006 u.a. Folgendes ausgeführt:

"Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt und mit der Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden.

Eine Entscheidung des Senats ist veranlasst, insbesondere ist die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gem. § 345 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG am 27.10.2006 in Gang gesetzt worden und inzwischen abgelaufen. Zwar ist die Zustellung an den Verteidiger der Betroffenen gegen Empfangsbekenntnis unwirksam, weil das zu den Akten gelangte Empfangsbekenntnis nicht mit dem Datum seines Vollzuges und der Unterschrift des Verteidigers versehen ist und damit den Anforderungen gem. § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 174 Abs. 4 ZPO nicht genügt (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 37 Rdnr. 26). Allerdings ist dieser Mangel gem. § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO geheilt, weil sich aufgrund der am 27.10.2006 gefertigten Rechtfertigung der Rechtsbeschwerde, die auf die schriftlichen Urteilsgründe ausdrücklich Bezug nimmt, und des ihr beigefügten, mit Eingangsstempel des Verteidigers vom selben Tage versehenen Empfangsbekenntnisses zur Gewissheit des Senats ergibt, dass ihm das schriftliche Urteil am 27.10.2006 tatsächlich zugegangen ist (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 37 Rdnr. 28 m.w.N.).

Indes ist der Rechtsbeschwerde nur in dem vorbezeichneten Umfang ein - vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch. Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft der Betroffenen wendet, übersieht sie, dass dem Rechtsbeschwerdegericht nur eine eingeschränkte Nachprüfung dahin möglich ist, ob ein von einer Überwachungsanlage gefertigtes Foto grundsätzlich nach Schärfe, Kontrast und Helligkeit als Grundlage für eine Identifizierung zu dienen geeignet ist. Dagegen kann mit der Rechtsbeschwerde weder beanstandet werden, die Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch, noch kann gerügt werden, dass das Amtsgericht aufgrund der persönlichen Inaugenscheinnahme einer anderen Person diese im Vergleich mit dem vorliegenden Lichtbild als Täter der Ordnungswidrigkeit zu Unrecht ausgeschlossen habe (zu vgl. Senatsbeschluss vom 16.03.2006 - 3 Ss OWi 75/06 - m.w.N.). Nach diesem Maßstab lässt die dem Senat durch die gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO prozessordnungsgemäße Inbezugnahme der gefertigten Lichtbilder eröffnete eingeschränkte Nachprüfung des Urteils einen Rechtsfehler hinsichtlich der Feststellung der Täterschaft der Betroffenen nicht erkennen.

Indes kann die Rechtsfolgenzumessung keinen Bestand haben. Die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Für die Berechnung der Dauer der Rotlichtphase kommt es auf den Zeitpunkt an, in welchem der Betroffene die Haltelinie - wenn eine solche vorhanden ist - überfährt (zu vgl. BGHSt 45, 135-139), wobei allerdings zu beachten ist, dass die die Kamera auslösenden Induktionsschleifen regelmäßig hinter der Haltelinie angebracht sind. Demgemäß kann es für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes erforderlich sein, d...

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