Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Beiordnung eines Rechtsanwalts im Umgangsregelungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung eines Rechtsanwalts in einem Umgangsregelungsverfahren erforderlich macht (§ 78 Abs. 2 FamFG), ist aus Sicht des antragstellenden Beteiligten zu beantworten.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Barmbek (Beschluss vom 09.11.2009; Aktenzeichen 895 F 133/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Hamburg-Barmbek vom 9.11.2009, Aktenzeichen 895 F 133/09, wird dieser dahingehend abgeändert, dass dem Antragsteller Rechtsanwältin S. beigeordnet wird.

 

Gründe

Der Antragsteller ist der Vater des 10-jährigen Jungen A. Im Jahr 2000 haben die Eltern eine Sorgeerklärung abgegeben; sie haben die gemeinsame elterliche Sorge. Der Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger und lebt seit 1996 in Deutschland. Von Beruf ist er Kraftfahrer. Er spricht nur wenig deutsch.

Die Kindesmutter ist russischer Staatsangehörigkeit. Bis 2008 haben beide Eltern zusammen mit ihrem Sohn in einem Haushalt gelebt. Der Kindesvater hat mit dem Sohn vorwiegend griechisch gesprochen, die Kindesmutter vorwiegend russisch.

Nach der Trennung blieb der Sohn bei der Kindesmutter. Ein Umgang mit dem Kindesvater fand unregelmäßig statt.

Dieser hat sich an das Jugendamt gewandt, weil er sich Sorgen um das Kind machte. Die Kindesmutter trinke manchmal oder öfter Alkohol. Nachdem er konkrete Beeinträchtigungen des Kindes verneinte, erfolgte keine Reaktion des Jugendamtes.

Mit dem vorliegenden Verfahren beantragte er eine Umgangsregelung. Er hat nicht in Abrede gestellt, zu dem Jungen Kontakt zu haben, es hänge aber von der jeweiligen Stimmungslage der Kindesmutter ab, ob er den Sohn haben könne oder nicht. Er habe vergeblich versucht, mit der Kindesmutter das Beratungsangebot des Jugendamtes in Anspruch zu nehmen.

Die Kindesmutter hat Zurückweisung des Umgangsregelungsantrags beantragt. Sie hat im Einzelnen dargestellt, zu welchen Terminen der Kindesvater den Sohn gesehen habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung im Familiengericht haben die Eltern sich geeinigt und eine Regelung getroffen, die der in den Wochen vor dem Gerichtstermin praktizierten Umgangsregelung entsprach.

Das Familiengericht hat dem Kindesvater Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten aber unter Hinweis auf § 78 Abs. 2 FamFG abgelehnt.

Gegen den am 15.10.2009 eingegangenen Beschluss wurde am 28.10.2009 Beschwerde eingelegt. Der Sachverhalt sei für den Kindesvater keineswegs unproblematisch gewesen. Er sei der deutschen Sprache kaum mächtig und habe die Rechtslage nicht gekannt.

1. Die Beschwerde ist statthaft und begründet. Es entscheidet gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 568 S. 2 Ziff. 2 ZPO der Senat.

In Umgangsregelungsverfahren ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, dies ergibt sich aus §§ 114,111 und 112 FamFG. Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG ist deshalb dem Beteiligten ein Rechtsanwalt nur beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Nach der Auffassung des Senats sind vorliegend diese Voraussetzungen gegeben.

2. Die Frage, ob eine Sach- und Rechtslage schwierig ist, soll zu beurteilen sein nicht aus Sicht des erfahrenen Familienrichters, sondern aus der Perspektive eines juristischen Laien, der ohne besondere Vorkenntnisse um Rechtsschutz nachsucht und sich unter Umständen nach Trennung oder Scheidung in einer schwierigen Lebensphase befindet; abzustellen sei auf einen objektiven Maßstab (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2009 - II 8 WF 211/09).

Aus Sicht des Senats ist die Frage, ob eine Sach- und Rechtslage schwierig ist, aber nicht abstrakt aus Sicht eines fiktiven Beteiligten zu beurteilen, sondern konkret aus der Sicht des antragstellenden Beteiligten. Die Frage, ob eine Angelegenheit schwierig ist, ist abhängig von der Situation des Betrachters. Es erscheint willkürlich, auf einen objektiven Empfängerhorizont abzustellen, der im konkreten Fall nicht gegeben ist. Nach der Auffassung des Senats kommt es für die Frage, ob die Sach- und Rechtslage schwierig ist, deshalb darauf an, ob sie für den jeweiligen Antragsteller schwierig ist. In Übereinstimmung mit dem OLG Celle (Beschluss vom 11.11.2009 - 17 WF 131/09) und dem OLG Zweibrücken (Beschluss vom 28.12.2009, Az 2 WF 237/09) prüft der Senat deshalb entsprechend der bis zum Inkrafttreten des neuen Familienverfahrensgesetzes am 1.9.2009 geltenden Rechtslage, ob es anhand der objektiven und subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falls notwendig erscheint, dem Beteiligten einen Rechtsanwalt beizuordnen (s. BGH, Beschl. v. 18.2.2009 - XII ZB 137/08).

3. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist vorliegend dem Antrag auf Beiordnung der bevollmächtigten Rechtsanwältin stattzugeben. Der Kindesvater war zunächst bei Jugendamt vorstellig geworden, hatte dort aber - möglicherwe...

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