Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Kraftfahrer auf glatter Fahrbahn die Gewalt über sein Fahrzeug verliert, ist anzunehmen, dass er entweder nicht mit der straßen- und witterungsbedingt zulässigen Geschwindigkeit gefahren ist oder aber ein unangepasstes Fahrmanöver durchführte.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 4 O 121/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.7.2004 verkündete Urteil des LG Gießen - Az.: 4 O 121/04 - abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 3.515,99 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung und die Anschlussberufung des Klägers werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger 1/3 und die Beklagten 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 22.12.2003 in O1 auf der X-Straße ereignet hat.

Wegen der in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des am 29.7.2004 verkündeten landgerichtlichen Urteils (Bl. 68 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat der Klage zu 80 % stattgegeben. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass der Unfall überwiegend auf das grundlose Bremsen der Beklagten zu 1) zurückzuführen sei; ein solches Fahrverhalten habe sie im Termin selbst eingeräumt. Die genaue Unfallstelle und die Frage, welches Fahrzeug zuerst gegen das andere gestoßen sei, hätten sich zwar nicht klären lassen, hierauf komme es aber für die Bewertung auch nicht an. Feststehe jedenfalls, dass der Kläger nicht sehr schnell gefahren sei und - herausgefordert durch das Fahrverhalten der Beklagten zu 1) - erfolglos ein Ausweichmanöver versucht habe, bei dem es dann zur Kollision gekommen sei. Während zu Lasten des Klägers lediglich die Betriebsgefahr seines Pkw's zu berücksichtigen sei, komme bei der Beklagten zu 1) ein Verschulden hinzu, hierfür spreche bereits des Beweis des ersten Anscheins, so dass der Haftungsanteil der Beklagten weit überwiege.

Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl die Beklagten mit ihrer Berufung als auch der Kläger mit seiner Anschlussberufung. Während die Beklagten vollständige Klageabweidung begehren, verlangt der Kläger den nicht zugesprochenen Differenzbetrag i.H.v. 1.054,80 EUR.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Entscheidung des LG beruhe auf einer unzureichenden Würdigung der Aussage des Zeugen Z1, der als Unbeteiligter die Unfallschilderung der Beklagten zu 1) bestätigt und damit die Aussage der Zeugin Z2, der Ehefrau des Klägers, widerlegt habe. Damit sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht mit einer den Straßen- und Witterungsverhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren sei und zudem keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des LG Gießen vom 29.7.2004 - Az.: 4 O 121/04 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung zunächst unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages. Zudem stehe die Aussage des Zeugen Z1 seiner, durch die Zeugin Z2 bestätigten, Unfallschilderung nicht entgegen. Dass er mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug der Beklagten zu 1) geprallt sei, widerspreche seiner Darstellung des Unfallhergangs nicht, denn tatsächlich habe er sich ja in Bewegung befunden, als das Fahrzeug der Beklagten zu 1) nach dem Anprall am Bordstein auf die Straße zurückgeschleudert worden sei. Sofern der Zeuge bekundet habe, der Kläger sei schneller als die Beklagte zu 1) und zu dicht aufgefahren, so stimme diese Schilderung mit der Situation nach dem Abbremsen der Beklagten zu 1) überein. Bei diesem Geschehensablauf sei der Unfall für ihn unabwendbar gewesen, so dass er vollständigen Ersatz seines Schadens verlangen könne. Mit der deshalb eingelegten Anschlussberufung beantragt er, das Urteil des LG Gießen vom 29.7.2004 - Az.: 4 O 121/04 - abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.273,98 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2004 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten 4.10.2004 (Bl. 103 ff. d.A.) und 18.11.2004 (Bl. 126 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 2.11.2004 (Bl. 115 ff. d.A.) Bezug genommen.

II. Die gem. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber hinaus gem. § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung ist zulässig, sie hat in der Sache aber nur zum Teil Erfolg. Dagegen ist die gem. § 524 Abs. 1, 2 ZPO in der bis zum 1.9.2004 gültigen Fassung zulässigerweise erhobene Anschlussberufung nicht begründet.

Das LG hat die Beklagten dem Grunde nach zu Recht zum Ersatz des dem Kläger bei dem Verkehrsunfall am 22.12....

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