Wann ist Notbremsung wegen Tieren neben Fahrbahn zulässig?

Taucht plötzlich ein Tier neben oder auf der Fahrbahn auf, würden wohl viele Autofahrer instinktiv auf die Bremse treten. Doch so eine Notbremsung ist in vielen Fällen nicht mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar.

Eine Autofahrerin war außerorts unterwegs, als sie einen Fuchs erblickte, der ihrer Wahrnehmung nach in Richtung Straße lief. Die Frau bremste zuerst leicht. Als der Fuchs sich der Fahrbahn weiter näherte, legte sie eine Vollbremsung hin und überraschte damit die Fahrerin hinter ihr, die auf sie auffuhr. Der Gesamtschaden am Auto der vorausfahrenden Klägerin belief sich auf gut 9.000 Euro.

Versicherer der Auffahrenden regulierte zwei Drittel des Schadens

Die Haftpflichtversicherung der Auffahrenden übernahm zwei Drittel des Schadens. Doch das reichte der Klägerin nicht. Sie wollte den an ihrem Fahrzeug entstandenen Schaden komplett ersetzt bekommen. Die Fahrerin hinter ihr sei zu nah aufgefahren und habe den Unfall allein und schuldhaft verursacht, so ihre Argumentation.

Amtsgericht: Unfall war für beide Parteien kein unabwendbares Ereignis

Das Amtsgericht Pfaffenhofen hatte einen anderen Blick auf den Unfall. Der sei für keine der beiden Parteien ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass sie wegen eines Fuchses keine Notbremsung hätte durchführen dürfen.

Für die Fahrerin des auffahrenden Fahrzeugs sei der Unfall ebenfalls kein unabwendbares Ereignis gewesen. Wäre sie genügend aufmerksam gewesen, hätte sie den Fuchs wahrnehmen und sich darauf einstellen müssen, dass das vorausfahrende Fahrzeug eventuell abrupt abbremsen könnte.

Wann starkes Abbremsen des Vorausfahrenden erlaubt ist

Ein starkes Abbremsen des Vorausfahrenden ist nur bei einem zwingenden Grund zulässig (§4 Abs. 1 Satz 2 StVO). Die Vorschrift soll Auffahrunfälle verhindern und die Verkehrsteilnehmer vor den drohenden Sach- und Personenschäden schützen. Ein zwingender Grund könne deshalb nur dann vorliegen, wenn das starke Abbremsen zum Schutz von Rechtsgütern und Interessen erfolge, die dem genannten Schutzobjekt der Vorschrift zumindest gleichwertig seien, so das Gericht.

Das bedeute, dass ein Autofahrer nur dann auf ein kleines Tier, das auf der Fahrbahn für ihn und für sein Fahrzeug keine Gefahr bildet, Rücksicht nehmen darf, wenn er dadurch die Verkehrssicherheit nicht gefährde.

Im vorliegenden Fall habe sich der Fuchs nicht einmal auf der Fahrbahn befunden. Der Schutz des Tieres hätte deshalb hinter den Schutz des nachfolgenden Verkehrs zurücktreten müssen, so das Gericht.

Bremsen bei kleinen Tieren nur dann, wenn die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist

Für ein Aufeinandertreffen von Autos und Tieren gelte: Ein Kraftfahrer müsse sich von vornherein darauf einstellen, dass er auf ein für ihn und sein Fahrzeug keine Gefahr darstellendes Tier nur dann Rücksicht nehmen darf, wenn ihm ein Bremsen oder Ausweichen möglich ist, ohne die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass die nachfolgende Fahrerin einen unzureichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe. Mit ihrem Abbremsen sei daher ersichtlich die ernsthafte Gefahr eines Auffahrunfalls verbunden gewesen.

Unfallbeitrag der bremsenden Fahrerin überwiegt

Der Unfallbeitrag der Klägerin überwiege bei Weitem. Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeuges habe lediglich für die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs einzustehen.

Die Klägerin könne unter keinen Umständen mehr als zwei Drittel des bereits regulierten Unfallschadens von der Beklagten beanspruchen.

(AG Pfaffenhofen a.d. Ilm, Urteil v. 16.9.2022, 1 C 130/22)

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