Entscheidungsstichwort (Thema)

Beeinträchtigende Schenkung: Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments

 

Normenkette

BGB §§ 812, 2271, 2287

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.09.2019; Aktenzeichen 2-18 O 30/19)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9.9.2019 - 2-18 O 30/19 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Es bleibt der Klägerin nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück aus § 2287 BGB (analog).

Mit gemeinschaftlichem notariellen Testament vom 29.12.1958 setzten sich die Mutter der Klägerin, Vorname1 Nachname1 (geb. XX.XX.1927, nachfolgend: Erblasserin) und deren 17 Jahre älterer erster Ehemann, Vorname2 Nachname1, gegenseitig zu Alleinerben ein. Die gemeinsamen Kinder der Testierenden, die Klägerin und ihr Bruder Vorname3 Nachname1 (der Vater der Beklagten), wurden als Erben auf das Ableben des Längstlebenden eingesetzt. Im Testament heißt es dazu:

"Wir setzen uns gegenseitig zu unserem alleinigen Erben ein. Dasjenige, was von unserem beiderseitigen Nachlass nach dem Tode des Längstlebenden noch vorhanden ist, soll an unsere oben zur Ziffer 2) und 3) genannten beiden Kinder, untereinander zu gleichen Teilen, anfallen."

Bei dem unter Ziffer 2) genannten Kind handelt es sich um den Sohn Vorname3 Nachname1 (den Vater der Beklagten) und bei dem unter Ziffer 3) genannten Kind um die Tochter Vorname4 Nachname1 (die Klägerin). Das zudem unter Ziffer 1) aufgeführte Kind war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits verstorben.

Der erste Ehegatte der Erblasserin, Vorname2 Nachname1, verstarb am 10.11.1982. Die Erblasserin heiratete ihren zweiten Ehemann, Vorname5 Nachname2, der am 20.04.1995 verstarb. Aufgrund eines Testaments des Vorname5 Nachname2 vom 12.11.1988 wurde die Erblasserin auch dessen Alleinerbin. Teil des Nachlasses war das streitgegenständliche Grundstück "Straße1", eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1 von Stadt1, Bezirk ..., Blatt ..., BV Nr. ..., Gemarkung ..., Flurstück Nr. ...

Dieses Grundstück übertrug die Erblasserin mit notariellem Vertrag vom 09.12.2013 an die Beklagte, die Nichte der Klägerin, zu Alleineigentum. In Ziffer 2 Abs. 2 des Vertrages wurde festgehalten, dass die Beklagte die Pflicht übernimmt, "die Veräußererpartei

im Krankheitsfall und im Alter zu pflegen, soweit sie dazu körperlich und beruflich in der Lage ist und hierzu keine Spezialkräfte erforderlich sind." Zudem wurden lebenslange Nießbrauchsrechte für die Erblasserin und Vorname3 Nachname1 vereinbart. Zu den Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde verwiesen (Anlage B1 im Anlagenband). Die Beklagte wurde am 29.08.2014 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Der Bruder der Klägerin und Vater der Beklagten, Vorname3 Nachname1, verstarb am 05.06.2016. Er wurde von seiner Ehefrau und seinen Kindern, der Beklagten und deren Bruder, beerbt.

Die Erblasserin verstarb am 04.10.2017. Das Amtsgericht Frankfurt am Main - Nachlassgericht - erteilte einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Klägerin mit einem Anteil zu 1/2 sowie die Beklagte und deren Bruder als Nachkommen des Vorname3 Nachname1 zu einem Anteil von je 1/4 als Erben ausweist.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe als Schlusserbin gegen die Beklagte einen Anspruch analog § 2287 BGB auf Einräumung eines hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück "Straße1" in Stadt1. Diesen Anspruch verfolgt sie mit der Klage. Das Grundstück sei - so die Klägerin zur Begründung - von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.12.1958 umfasst. Die Erblasserin habe der Beklagten das Grundstück ohne lebzeitiges Eigeninteresse in Benachteiligungsabsicht geschenkt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Grundstück "Straße1" in Stadt1 sei von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.12.1958 nicht umfasst. Nach dem im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden übereinstimmenden Willen der Testierenden lägen keine Anhaltspunkte vor, dass der erhebliche Vermögenszuwachs, den die Erblasserin infolge des Ablebens ihres zweiten Ehegattens nachträglich erhalten hat, zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vorhergesehen und bedacht worden sei. Ein hypothetischer Wille der Testierenden, auch solches aus der Erbeinsetzung durch einen zukünftigen zweiten Ehemann der Erblasserin stammendes Vermögen solle in jedem Fall den Kindern zugutekommen, sei eher fernliegend. Es liege im Gegenteil nahe, dass die Testierenden, hätten sie diesen Umstand vorhergesehen, der Erblasserin d...

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