Leitsatz (amtlich)

1. Amtshaftungsansprüche wegen pflichtwidriger Zulassung von Aktien nach § 36 BörsG a.F. bestehen nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht, wenn der Anleger sich durch eine Prospekthaftungsklage bei dem die Aktien emittierenden Unternehmen schadlos halten kann.

2. Der Anleger hat darzulegen und zu beweisen, dass ihm dies nicht möglich ist bzw. war. Die Erhebung einer derartigen Klage ist ungeachtet ihres Aufwandes dann zumutbar, wenn der Amtshaftungsprozess einen vergleichbaren Aufwand besorgen lässt.

3. Die Amtspflichten der Zulassungsstelle im Zulassungsverfahren dienten bereits vor dem 1.7.2002 nicht dem Schutz einzelner Kapitalanleger.

 

Normenkette

BGB § 839; BörsG § 36

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 2-4 O 171/04)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 4.5.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger kauften am 19.6.2000 Aktien der X (sog. "X-Aktien") zu 63,50 EUR/Stück, die derzeit deutlich weniger wert sind. Sie nehmen das beklagte Land wegen vermeintlicher Versäumnisse der Zulassungsstelle der ... Wertpapierbörse auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung im Wesentlichen mit der Begründung in Anspruch, die Aktien hätten nicht nach § 36 BörsG a.F. zugelassen werden dürfen, weil die X AG (nachfolgend: X) nicht alle notwendigen Unterlagen vorgelegt und weil sie ihren Immobilienbesitz im Prospekt völlig unrealistisch überbewertet habe, dies auf der Grundlage eines offenkundig ungeeigneten, die Besonderheiten der einzelnen Objekte unberücksichtigt lassenden, pauschalisierenden Schätzungsverfahrens. Wenn die Zulassungsstelle die "X-Aktie" nicht zugelassen hätte, hätten die Kläger die für sie ungünstigen Aktienkäufe nicht getätigt. Zu § 839 Abs. 1 S. 2 BGB und ihrer unterbliebenen Prospekthaftungsklage gegen die X haben die Kläger vorgetragen, die Prospekthaftungs- und die Amtshaftungsklage beträfen verschiedene "Tatsachenkreise" im Sinne der Rechtsprechung des BGH, die Prospekthaftung bezwecke nicht die Entlastung des Staates, die Erhebung von Prospekthaftungsklagen sei wegen zweifelhafter Erfolgsaussichten und der absehbar langen Dauer - der zuständige Kammervorsitzende habe einmal von insgesamt 15 Jahren gesprochen - nicht zumutbar gewesen.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Amtspflichten der Zulassungsstelle im Rahmen der Zulassungsprüfung seien nicht zugunsten der Kläger drittgerichtet gewesen. Dagegen wendet sich ein Teil der Kläger mit der auf Rechtsausführungen gestützten Berufung.

Die Berufungskläger zu 10. und 14. haben ihre Berufungen zurückgenommen.

Die die Berufung führenden Kläger beantragen, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils das beklagte Land zu verurteilen

  • an den Kläger zu 5) und Berufungskläger zu 1) A 1.321,82 EUR,
  • den Kläger zu 6) und Berufungskläger zu 2) B 1.215,82 EUR,
  • den Kläger zu 9) und Berufungskläger zu 3) C 1.415,29 EUR,
  • den Kläger zu 15) und Berufungskläger zu 4) D 1.192,00 EUR,
  • den Kläger zu 18) und Berufungskläger zu 5) E 2.932,98 EUR,
  • die Klägerin zu 23) und Berufungsklägerin zu 6) F 2.947,11 EUR,
  • den Kläger zu 29) und Berufungskläger zu 7) G 1.406,40 EUR,
  • die Kläger zu 32) und Berufungskläger zu 8) Eheleute H 1.240,59 EUR,
  • den Kläger zu 33) und Berufungskläger zu 9) I 1.428,90 EUR,
  • den Kläger zu 38) und Berufungskläger zu 11) J 1.447,30 EUR,
  • den Kläger zu 51) und Berufungskläger zu 12) K 3.162,97 EUR,
  • den Kläger zu 52) und Berufungskläger zu 13) L 5.733,52 EUR,
  • den Kläger zu 59) und Berufungskläger zu 15) M 2.375,75 EUR,
  • den Kläger zu 60) und den Berufungskläger zu 16) N 5.939,37 EUR,
  • den Kläger zu 63) und den Berufungskläger zu 17) O 2.936,09 EUR und an
  • den Kläger zu 64) und Berufungskläger zu 18) P 2.554,27 EUR

zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil.

XVIII. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage jedenfalls i.E. zu Recht abgewiesen.

A. Die Klage ist unbegründet, weil die den Mitgliedern der Zulassungsstelle nur fahrlässige Pflichtverletzungen vorwerfenden Kläger eine anderweite Ersatzmöglichkeit nicht genutzt haben (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB), nämlich eine Prospekthaftungsklage gegen die X. Da diese anderweite Ersatzmöglichkeit infolge Verjährung (§ 47 BörsG a.F.) nun nicht mehr zur Verfügung steht, ist die Klage endgültig und nicht nur als "zur Zeit unbegründet" abzuweisen (BGH v. 10.1.2002 - III ZR 13/01, BGHReport 2002, 277 = NJW 2002, 1266 [1267]; BGHZ 37, 375 [378 ff.]).

1. Die Unmöglichkeit, anderweit Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestands, aus dem ...

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