Leitsatz (amtlich)

1. Amtshaftungsansprüche wegen pflichtwidriger Zulassung von Aktien nach § 36 BörsG a.F. bestehen nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht, wenn der Anleger sich durch eine Prospekthaftungsklage bei dem die Aktien emittierenden Unternehmen schadlos halten kann.

2. Der Anleger hat darzulegen und zu beweisen, dass ihm dies nicht möglich ist bzw. war. Die Erhebung einer derartigen Klage ist ungeachtet ihres Aufwandes dann zumutbar, wenn der Amtshaftungsprozess einen vergleichbaren Aufwand besorgen lässt.

3. Die Amtspflichten der Zulassungsstelle im Zulassungsverfahren dienten bereits vor dem 1.7.2002 nicht dem Schutz einzelner Kapitalanleger.

 

Normenkette

BGB § 839; BörsG § 36

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 2/4 O 297/04)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 4.5.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage jedenfalls i.E. zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist unbegründet, weil die den Mitgliedern der Zulassungsstelle nur fahrlässige Pflichtverletzungen vorwerfenden Kläger eine anderweite Ersatzmöglichkeit nicht genutzt haben (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB), nämlich eine Prospekthaftungsklage gegen die X. Da diese anderweite Ersatzmöglichkeit infolge Verjährung (§ 47 BörsG a.F.) nun nicht mehr zur Verfügung steht, ist die Klage endgültig und nicht nur als "zur Zeit unbegründet" abzuweisen (BGH v. 10.1.2002 - III ZR 13/01, BGHReport 2002, 277 = NJW 2002, 1266 [1267]; BGHZ 37, 375 [378 ff.]).

A. Die Unmöglichkeit, anderweit Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestands, aus dem der Amtshaftungsanspruch hergeleitet wird. Dementsprechend hat der Verletzte das Vorliegen dieser zur Klagebegründung gehörenden (negativen) Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs darzulegen und im Streitfall zu beweisen (st. Rspr., vgl. z.B. BGH v. 19.3.1992 - III ZR 117/90, MDR 1992, 648 = VersR 1992, 698 ff.; v. 10.1.2002 - III ZR 13/01, BGHReport 2002, 277 = NJW 2002, 1266; v. 13.12.1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164 [167] = MDR 1991, 510), wobei er sich darauf beschränken kann, die alternativen Ersatzmöglichkeiten auszuräumen, die nach Sachlage nahe liegen oder vom Beklagten konkret aufgezeigt werden (BGH DB 1969, 788; WM 1969, 621 [623]; VersR 1978, 252 f.). Auf welcher Rechtsgrundlage der Verletzte den anderweiten Ersatz seines Schadens erlangt oder hätte erlangen können, ist unerheblich. Maßgebend ist nur, ob eine Möglichkeit besteht bzw. bestand, auf andere Weise als durch Inanspruchnahme des betreffenden Beamten oder des an seiner Stelle haftenden Gemeinwesens einen Ersatz für den durch die Amtspflichtverletzung erlittenen Schaden zu erlangen, gleichgültig, ob diese Möglichkeit auf einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis beruht, sofern sie nur ihre Grundlage in demselben Tatsachenkreise hat, auf dem der Schadensersatzanspruch beruht (BGHZ 31, 148 [150]); von einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit kann nämlich nur die Rede sein, wenn der betreffende Ersatzanspruch aus denselben tatsächlichen Vorgängen erwächst (BGH v. 16.1.1997 - III ZR 117/95, MDR 1997, 352 = NVwZ 1997, 714 [725]; BGHZ 62, 394 [399]), wobei weitgehende Überschneidungen genügen (BGH VersR 1978, 252 f., Versäumnisse des Vertrauensarztes und des Hausarztes; v. 19.3.1992 - III ZR 117/90, MDR 1992, 648 = VersR 1992, 698 ff., Baugenehmigung für vom Architekten schuldhaft nicht genehmigungsfähig eingereichte Planung). Außer Betracht bleibt eine Ersatzmöglichkeit, die nicht die Entlastung des Beamten bzw. des für ihn eintretenden Staates bezweckt, was insb. dann anzunehmen ist, wenn der Geschädigte sich jene Ersatzmöglichkeit erkauft oder erdient hat (BGHZ 70, 7 [10]; BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 2 Verweisungsprivileg 5). Die Ausnutzung anderweitiger Ersatzmöglichkeiten muss dem Geschädigten zumutbar sein (BGH v. 26.3.1997 - III ZR 295/96, NJW 1997, 2109; v. 5.11.1992 - III ZR 91/91, BGHZ 120, 124 [126] = MDR 1993, 517). Nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB braucht er sich nicht auf Ersatzansprüche verweisen zu lassen, die er nicht oder jedenfalls nicht in absehbarer oder angemessener Zeit durchsetzen kann. Auch weitläufige, unsichere oder i.E. zweifelhafte Wege des Vorgehens gegen Dritte braucht er nicht einzuschlagen (BGH v. 26.3.1997 - III ZR 295/96, NJW 1997, 2109; v. 5.11.1992 - III ZR 91/91, BGHZ 120, 124 [126] = MDR 1993, 517; ähnlich BGH v. 2.7.1996 - IX ZR 299/95, BRAK 1997, 223 = MDR 1996, 1295 = NJW 1996, 3009 [3011]); einen aussichtsreichen Prozess gegen den Dritten, der in erster Linie für den Schaden einzustehen hat, hat der Geschädigte aber grundsätzlich durchzuführen, selbst dann, wenn sich dieser Prozess in die Länge zieht (BGH v. 22.6.1995 - IX ZR 122/94, MDR 1995, 1068 = NJW 1995, 2713 [2714]). An der Durchsetzbarkeit des alternativen Ersatzanspruchs kann es auch mangels ausr...

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