Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit einer Klausel im Bierliefervertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Unwirksamkeit einer Klausel in einem Bierbezugsvertrag, die Schadensersatz unabhängig vom Verschulden des Nichtbezugs vorsieht.

 

Normenkette

AGBG § 9; BGB §§ 280-282, 307; GWB § 34

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Aktenzeichen 1 O 142/06)

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der A AG von den Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Bierbezugsverpflichtung.

Die Beklagten schlossen mit der Zedentin im Anschluss an frühere, bis mindestens 1953 zurückreichende Verträge unter Aufhebung einer Vereinbarung vom 21.12.1987 eine Vereinbarung, nach der die Zedentin den Beklagten für den Betrieb der Gaststätte B in O1 Leihimmobiliar zur Verfügung stellte und sich die Beklagten verpflichteten, vom 1.6.1996 bis zum 31.12.2003 den Bedarf an Bieren ausschließlich mit Produkten und Handelsware der Zedentin zu decken. In Nr. 4 der Vereinbarung war bestimmt:

"Brauerei und Kunde erwarten in der Absatzstätte einen Bierumsatz von 50 hl jährlich. Auf dieser Mindestabsatzerwartung beruhen die Kalkulationen und die ausgehandelte Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung dieses Vertrages".

Für den Fall, dass die Mindestabsatzerwartung um mehr als 10 % unter- oder überschritten würde, waren Ausgleichzahlungen bzw. Rückvergütungen von 35 DM für jeden von der Mindestabsatzerwartung abweichenden Hektoliter vorgesehen.

Nr. 7 regelt für den Fall des Nichtbezuges oder Fremdbezuges sowie für jeden sonstigen Fall, in dem die Brauerei Schadensersatz verlangen kann, dass der Kunde für jeden vertragswidrig nicht bezogenen hl Bier einen pauschalen Schadensersatz i.H.v. 50 % des jeweiligen Einzelhandels-Listenpreis für einen hl Fassbier der Sorte ... der Brauerei zu bezahlen habe.

In den Jahren 2001 bis 2003 bezogen die Beklagten von der Zedentin kein Bier. Die Klägerin hat deshalb einen Schadensersatzanspruch für die Jahre 2002 und 2003 für 100 hl zu je 86,50 EUR geltend gemacht.

Die Beklagten haben die Vereinbarung u.a. für formunwirksam gem. § 34 GWB a.F. und wegen Sittenwidrigkeit für nichtig gehalten und ferner gemeint, die Formularklausel der Nr. 7 verstoße gegen §§ 9 und 11 Nr. 5a AGBG, weil sie kein Verschulden voraussetze und die Schadensersatzpauschale zu hoch sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat in Nr. 7 der Vereinbarung eine gem. § 9 AGBG unwirksame Vertragsstrafeklausel gesehen, da die Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden bei jedem Nicht- oder Fremdbezug von Bier verlangt werden könne. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Anspruch weiterverfolgt. Die Berufung stützt die Klägerin darauf, dass das LG in Nr. 7 der Vereinbarung zu Unrecht eine Vertragsstraferegelung anstatt gemäß dem Wortlaut der Klausel eine Schadensersatzpauschalierung gesehen habe. Diese sei jedoch zulässig. § 9 AGBG a.F. sei nicht anwendbar, wie das LG gemeint habe. Die Klausel verstoße auch nicht gegen § 309 Nr. 5b BGB, da sie den Nachweis eines geringeren Schadens ausdrücklich zulasse. Ferner rügt die Klägerin, dass das LG nicht zuvor auf die Unwirksamkeit der Klausel hingewiesen habe. In diesem Fall hätte sie ihren Schaden konkret berechnet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten unter Aufhebung des am 4.5.2007 verkündeten Urteils des LG Wiesbaden, Az.: 1 O 142/06, zu verurteilen, an sie 8.650 EUR nebst 8 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 10.9.207 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das Urteil des LG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Allerdings kann der Klägerin insoweit gefolgt werden, als Nr. 7 der Vereinbarung nicht eine Vertragsstrafe, sondern eine Schadenspauschalierung regelt. Gleichwohl ist die Formularbestimmung unwirksam.

Das LG hat die Klausel Nr. 7 der Vereinbarung zutreffend für unwirksam gehalten. Sie verstößt gegen § 9 ABGB a.F. und § 307 BGB. Die Klausel weicht von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der §§ 282 BGB a.F., 280, 281 BGB n.F. ab, indem sie die Schadersatzverpflichtung der Beklagten auch dann vorsieht, wenn die Beklagten am Nichtbezug kein Verschulden trifft (BGH NJW 1998, 602; BGH ZIP 2005, 798; NJW 2006, 47; speziell für Bierbezugsverträge: OLG München OLGReport München 1995, 145; Paulusch/Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 10. Aufl., Rz. 519). Die Klausel setzt ein Verschulden der Beklagten auch nicht etwa deshalb voraus, weil - wie die Klägerin meint - ein Nicht- oder Fremdbezug per se schuldhaft sei. Diese Auffassung der Klägerin trifft nicht zu. Jedenfalls für den Tatbesta...

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