Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrssicherungspflicht im Gemeindewald in Hessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Unzulässigkeit eines Grundurteils, bei dem nur über die Zahlungsanträge, nicht aber über den Feststellungsantrag entschieden wird.

2. In Hessen obliegt die Verkehrssicherungspflicht für Gemeindewald, für den die forsttechnische Leitung und der forsttechnische Betrieb kraft Gesetzes auf den Landesbetrieb Hessen-Forst übertragen sind, allein dem Land. Kontroll- und Überwachungspflichten seitens der Kommune als Waldeigentümerin bestehen daneben nicht (Aufgabe von OLG Frankfurt, Urt. v. 27.1.1983 - 1 U 134/82 -, NVwZ 1983, 699).

 

Normenkette

BGB §§ 823, 839; ForstG HE § 32; GG Art. 34; ZPO § 304

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 24.08.2009)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1 wird das am 24.8.2009 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Limburg a.d. Lahn abgeändert.

Die Klage gegen die Beklagte zu 1 wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und die dem Streithelfer in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten und die des Streithelfers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt die beklagte Stadt (nachfolgend: Beklagte zu 1) nach einem Unfallereignis vom ...2003 auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materiellen Schadens in Anspruch und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 für Zukunftsschäden.

Als der Kläger mit seinem Pkw am ...2003 auf der durch ein Waldgrundstück führenden Landesstraße aus Richtung X kommend in Richtung Y fuhr, stürzten zwei Eichen auf seinen Pkw, wodurch der Kläger und sein Beifahrer schwer verletzt wurden. Eigentümerin dieses Waldgrundstücks ist die Beklagte zu 1. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Limburg Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich auch den Forstamtsleiter des Forstamtes ... (Beklagter zu 3) und dessen Vertreter (Beklagter zu 2) in Anspruch genommen. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 5.4.2006 hat das LG die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, als "Teil- und Grundurteil" bezeichneten Urteil vom 24.8.2009 hat das LG "den Klageantrag" betreffend die Beklagte zu 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Klage gegen den Beklagten zu 3 abgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte zu 1 und der Streithelfer Berufung eingelegt.

Die Beklagte zu 1 rügt im Wesentlichen, die durch das LG durchgeführte Beweisaufnahme und die vorgenommene Beweiswürdigung seien fehlerhaft. Zudem vertritt sie die Ansicht, sie sei nicht passivlegitimiert.

Der Streithelfer rügt, der Erlass eines Grundurteils sei nicht zulässig gewesen. Das LG sei von einer falschen Anspruchsgrundlage ausgegangen und habe Hinweispflichten verletzt.

Die Beklagte zu 1 und der Streithelfer beantragen, das Urteil des LG Limburg vom 24.8.2009 abzuändern und die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abzuweisen, soweit über die Klageanträge entschieden worden ist, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1 dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt worden ist, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, außerdem hilfsweise - für den Fall des "Heraufziehens" des gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Feststellungsantrags - festzustellen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, zukünftig entstehende Schäden aufgrund des streitgegenständlichen Vorfalls am ...4.2003, L. in Höhe Kilometer 3,3, zu erstatten.

Die Beklagte zu 1 und deren Streithelfer beantragen vorsorglich, auch insoweit die Klage abzuweisen.

B. Die Berufung der Beklagten zu 1 ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die "Berufung" des Streithelfers ist lediglich als Unterstützung der Berufung der Beklagten zu werten; sie stellt keine selbständige Berufung dar. Haben - wie hier - Hauptpartei und Streithelfer Berufung eingelegt, handelt es sich gleichwohl nur um ein einheitliches Rechtsmittel, über das nur einheitlich entschieden werden kann (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 644 [juris Rz. 7]).

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

I. Das angefochtene Urteil leidet bereits an einem Verfahrensmangel, weil der Erlass eines Grundurteils in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH, welcher der Senat folgt, kann ein umfassendes Grundurteil dann nicht ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz zugleich den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung z...

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