Leitsatz (amtlich)

§ 131 Abs. 2 Satz 2 AktG rechtfertigt bei gebotener verfassungskonformer Auslegung eine abstrakte Beschränkung des Rede- und Fragerechts des Aktionärs in der Hauptversammlung durch Satzung oder Geschäftsordnung.

 

Normenkette

AktG § 131 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.11.2006; Aktenzeichen 3-5 O 61/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.02.2010; Aktenzeichen II ZR 94/08)

 

Gründe

I. Der Kläger war bei Bekanntmachung der Tagesordnung und ist heute noch Aktionär der Beklagten. Er war in der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2006 vertreten und legte gegen die Beschlussfassung zu Top 9 (c) Widerspruch ein. Der gefasste Beschluss ging entsprechend der Ankündigung in der Einladung zur Hauptversammlung dahin, die Satzung um einen neuen § 20 (a) zu ergänzen mit folgendem Text:

"§ 20 (a) - Beschränkung des Rede- und Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung

(1) Der Versammlungsleiter hat das Recht, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich nach Maßgabe des Folgenden zu beschränken:

a) Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) nur über die Gegenstände Verwendung des Bilanzgewinns, Entlastung der Mitglieder des Vorstands, Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats, Wahl des Abschlussprüfers und Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien oder einzelne dieser Gegenstände Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als sechs Stunden dauert. Bei der Berechnung der Dauer der Hauptversammlung bleiben die Zeiträume außer Betracht, die auf Unterbrechungen der Hauptversammlung und die Rede des Vorstandes sowie die Ausführungen des Versammlungsleiters vor Beginn der Generaldebatte entfallen.

b) Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) auch über andere Gegenstände als nach Buchstabe a) Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das Rede- und Fragerecht der Aktionäre in solcher Weise zeitlich beschränken, dass die Hauptversammlung insgesamt nicht länger als zehn Stunden dauert. Buchstabe a) S. 2 gilt entsprechend.

c) Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit eines Aktionärs je Wortmeldung auf 15 Minuten beschränken und, wenn sich im Zeitpunkt der Worterteilung an den Aktionär mindestens drei weitere Redner angemeldet haben, auf zehn Minuten. Der Versammlungsleiter kann die Rede- und Fragezeit, die einem Aktionär während der Versammlung insgesamt zusteht, auf 45 Minuten beschränken.

d) Die Beschränkungen nach Buchstaben a) bis c) können vom Versammlungsleiter jederzeit, auch zu Beginn der Versammlung, angeordnet werden.

e) Beschränkungen nach Maßgabe der vorstehenden Buchstaben a) bis d) gelten als angemessen i.S.d. § 131 Abs. 2 S. 2 AktG.

(2) Unabhängig von dem Recht des Versammlungsleiters, das Frage- und Rederecht der Aktionäre nach Maßgabe von Abs. 1 zu beschränken, kann der Versammlungsleiter um 22.30 Uhr des Versammlungstages den Debattenschluss anordnen und mit den Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten beginnen. Nach Anordnung des Debattenschlusses sind in den Fällen des Satzes 1 weitere Fragen nicht mehr zulässig.

(3) Das Recht des Versammlungsleiters, das Rede- und Fragerecht der Aktionäre über die Bestimmungen in Abs. 1 und 2 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen oder nach Maßgabe sonstiger in der Rechtsprechung anerkannter Grundsätze einzuschränken, bleibt von den Regelungen in Abs. 1 und 2 unberührt."

Mit der am 13.6.2006, einem Montag, bei dem LG Darmstadt eingereichten Klage, die auf seinen Antrag am 21.6.2006 bei gleichzeitiger Kostenanforderung an das LG Frankfurt/M. abgegeben worden ist und am 13.7.2006 zugestellt worden ist, macht der Kläger die Anfechtbarkeit der Satzungsänderung wegen eines Verstoßes gegen § 131 Abs. 2 S. 2 AktG geltend, weil die Satzungsänderung feste Zeiten für Rede und Frage vorsehe, wodurch sie dem Einzelfall nicht gerecht werde. Außerdem werde die Nachprüfbarkeit des Ermessens des Versammlungsleiters in nicht zulässiger Weise beschränkt.

Der Kläger hat beantragt, den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2006 zu Top 9 (c) gefassten Beschluss über die Beschränkung des Rede- und Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung mit nachstehendem Inhalt für nichtig zu erklären:

"§ 20 (a) - Beschränkung des Rede- und Fragerechts der Aktionäre in der Hauptversammlung

(1) Der Versammlungsleiter hat das Recht, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich nach Maßgabe des Folgenden zu beschränken:

a) Ist nach der Tagesordnung (einschließlich etwaiger Minderheitsverlangen nach § 122 AktG) nur über die Gegenstände Verwendung des Bilanzgewinns, Entlastung der Mitglieder des Vorstands, Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats, Wahl des Abschlussprüfers und Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien oder einzelne dieser Gegenstände Beschluss zu fassen, kann der Versammlungsleiter das...

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