AG: Auskunftserzwingung bei virtueller Hauptversammlung

Nach einem Beschluss des LG München I soll das Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG auch bei einer virtuellen Hauptversammlung nach § 1 Abs. 2 COVMG statthaft sein.

Zum Sachverhalt

Im Vorfeld einer virtuellen Hauptversammlung hatte ein Aktionär über den von der AG angebotenen Online-Service Fragen eingereicht. Während der Hauptversammlung griff der Vorstand die Fragen zwar auf, verwies als Antwort jedoch auf den Geschäftsbericht.

Der betroffene Aktionär war der Auffassung, der Verweis auf den Geschäftsbericht sei unzureichend, weshalb er mit dem vor dem Landgericht München I erhobenen Antrag die AG gerichtlich zur weiteren Auskunftserteilung verpflichten wollte.

Der Beschluss des LG München I v. 29.7.2021 (5 HK O 7359/21)

Das LG München I hat den Antrag im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen, weil die vom Antragsteller begehrte Auskunft nicht zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts erforderlich gewesen sei.

Gleichwohl hat es auch festgestellt, dass das Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG entgegen der herrschenden Auffassung in der Literatur auch im Falle einer virtuellen Hauptversammlung statthaft und nicht durch die Regelungen des COVMG ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber habe mit dem in § 1 Abs. 7 COVMG normierten weitreichenden Anfechtungsausschluss nicht zugleich auch das Auskunftserzwingungsverfahren ausschließen wollen. Schließlich sei der mit dem Anfechtungsausschluss verfolgte Zweck, nämlich zu verhindern, dass die Erleichterungen des COVMG von den Gesellschaften aus Sorge vor Anfechtungsklagen nicht in Anspruch genommen werden, hier nicht berührt. Über das Auskunftsverfahren nach § 132 AktG sei es gerade nicht möglich, gefasste Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig zu erklären.  Angesichts der eingeschränkten Auskunftspflicht könne nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber hätte auch eine Überprüfung der erteilten Auskunft und bei einer Verweigerung insbesondere auch eine Überprüfung der zugrunde liegenden Ermessenserwägungen im Verfahren nach § 132 AktG ausschließen wollen. Insofern komme ein Ausschluss des Auskunftserzwingungsverfahrens analog § 1 Abs. 7 COVMG nicht in Betracht.

Praxishinweis

Das in § 132 AktG normierte Auskunftserzwingungsverfahren soll den Aktionären dazu verhelfen, ihr Auskunftsrecht nach § 131 AktG gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen.

Bei einer virtuellen Hauptversammlung hatten Aktionäre im Jahr 2020 zunächst nur eine Fragemöglichkeit, die durch eine Gesetzesänderung 2021 zu einem Fragerecht aufgewertet wurde. Auch das Fragerecht des Jahres 2021 nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 COVMG (n.F.) bleibt jedoch hinter dem Auskunftsrecht gem. § 131 AktG zurück. Der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zufolge wird es dem Auskunftsrecht nach § 131 AktG, an das § 132 AktG anknüpft, ausdrücklich nicht gleichgestellt. Mangels Auskunftsrechts ist ein Auskunftserzwingungsverfahren zu dessen Durchsetzung daher nicht statthaft. Da sich der Gesetzgeber intensiv mit Inhalt und Reichweite des Fragerechts beschäftigt hat, scheitert eine analoge Anwendung von § 132 AktG bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Argumentation des LG München I geht insofern dogmatisch an der Sache vorbei.

Dennoch empfiehlt sich für die Praxis, auch in virtuellen Hauptversammlungen, die im aktuellen Format noch bis zum 31.08.2022 möglich sind, Aktionärsfragen sorgsam zu beantworten.


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