Leitsatz (amtlich)

Die für die Vertretung bei endgültiger und dauernder Verhinderung entwickelten Grundsätze können nicht auf die Besetzung der Spruchkörper übertragen werden.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 Nr. 2; GVG § 16 S. 2, §§ 21e, 59, 75

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 7 T 218/04)

AG Hadamar (Aktenzeichen TH-1447-8)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das LG X zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Beteiligte zu 1) rügt die Besetzung der Zivilkammer des LG X. im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung (§§ 78 GBO, 547 Nr. 1 ZPO). Diese Rüge hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Entgegen der Meinung der weiteren Beschwerde ist die Besetzung nicht wegen eines Verstoßes gegen § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO fehlerhaft. Die weitere Beschwerde übersieht, dass es in der Beschwerdeinstanz im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keinen originären Einzelrichter gibt. Nach § 30 Abs. 1 S. 3 FGG findet nur § 526 ZPO entsprechende Anwendung, nicht aber § 568 ZPO.

Die Besetzung der Zivilkammer des LG X erweist sich jedoch deshalb als fehlerhaft, weil der Kammer im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nur noch zwei ordentliche Mitglieder angehörten.

Nach der vom Senat bei dem Präsidenten des LG X. eingeholten Auskunft sind der Vorsitzende Richter am LG A. und die Richterinnen am LG C. und B. für das Jahr 2004 von dem Gerichtspräsidium zu ordentlichen Mitgliedern der Zivilkammer bestimmt worden. Nach dem Tod des Vorsitzenden Richters am LG A. am 6.7.2004 bestand die Zivilkammer zunächst nur noch aus zwei ordentlichen Mitgliedern. Durch Beschluss des Präsidiums vom 5.10.2004 wurde der Zivilkammer mit Wirkung ab 18.10.2004 ein weiterer Beisitzer (Richter am LG D) als ordentliches Mitglied zugewiesen.

Zwar weist der Geschäftsverteilungsplan des LG X. für das Geschäftsjahr 2004 als Vertreter der Beisitzer der Zivilkammer den an der angefochtenen Entscheidung beteiligten Richter E aus, doch lag hier ein Vertretungsfall, der die Mitwirkung des Richters E. an der angefochtenen Entscheidung hätte rechtfertigen können, nicht vor.

Die mögliche Annahme des LG, die für die Vertretung vorübergehend verhinderter Richterinnen und Richter eines Spruchkörpers entwickelten Grundsätze seien auf die Besetzung des Spruchkörpers übertragbar, vermag der Senat nicht zu teilen.

Im Einzelnen: Nach § 21e Abs. 1 S. 1 GVG bestimmt das Präsidium die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Jedem Spruchkörper müssen ein Vorsitzender Richter und mindestens so viele Beisitzer zugewiesen werden, wie zur gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung erforderlich sind (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21e Rz. 127, 128; Zöller/Gummer, ZPO, GVG, 25. Aufl., § 21e Rz. 4; Manfred Wolf in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 21e Rz. 25, 26). Zivilkammern entscheiden in der Besetzung mit drei Mitgliedern einschl. des Vorsitzenden (§ 75 GVG), so dass der Zivilkammer mindestens drei Mitglieder angehören müssen.

Für jede Richterin und jeden Richter ist für den Fall vorübergehender Verhinderung ein Vertreter zu bestimmen (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21e Rz. 140, 144; Zöller/Gummer, ZPO, GVG, 25. Aufl., § 21e Rz. 16, 39; Manfred Wolf in MünchKomm/ZPO/GVG, 2. Aufl., § 21e Rz. 41, 42; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, GVG, 63. Aufl., § 21e Rz. 7).

Bei endgültiger Verhinderung eines Richters durch Freiwerden einer Richterstelle auf Grund Richterwechsels (z.B. durch Versetzung, Pensionierung, Tod) oder dauernder Verhinderung (z.B. sehr langer Erkrankung) muss der Geschäftsverteilungsplan geändert werden (vgl. dazu nur Zöller/Gummer, ZPO, GVG, 25. Aufl., § 21e Rz. 39; KK-StPO/Diemer, 5. Aufl., § 21e GVG Rz. 9). Das Gesetz lässt die Änderung des Geschäftsverteilungsplans für den Fall des Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter bereits im Laufe des Geschäftsjahres ausdrücklich zu (§ 21e Abs. 3 S. 1 GVG). Die Änderungsbefugnis des Präsidiums ist dabei nicht auf die betroffene Richterstelle beschränkt, sondern gestattet auch sachgerechte andere Änderungen, jedoch nicht beliebige Umstrukturierungen (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 21e Rz. 113 ff.; Zöller/Gummer, ZPO, GVG, 25. Aufl., § 21e Rz. 43; Manfred Wolf in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 21e Rz. 43 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 21e GVG Rz. 16 ff.; KK-StPO/Diemer, 5. Aufl., § 21e GVG Rz. 14).

Nach allgemeiner Auffassung soll auch bei endgültiger Verhinderung und bei dauernder Verhinderung jedenfalls eines Vorsitzenden Richters in Anbetracht der möglicherweise eine gewisse Zeit erfordernden Umstände der Wiederbesetzung (z.B. Ausschreibung, Beteiligung von Gremien) die geschäftsplanmäßige Vertretungsregelung bis zur (möglichst zeitnahen) Änderung des Geschäftsverteilungsplans gelten (BVerwG, Beschl. v. 11.7.2001 - 1 DB 20/01, NJW 2001, 3493, dokumentiert bei juris und abgedruckt; Beschl. v. 26.3.2...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge