Leitsatz (amtlich)

1. Über die Besetzungsrüge zur nicht geschäftsplanmäßigen Besetzung hat - zur Wahrung rechtlichen Gehörs - in analoger Anwendung von §§ 42, 48 ZPO der zur Sachentscheidung berufene Spruchkörper zu entscheiden.

2. Die Verhinderung eines Vorsitzenden Richters am OLG durch Eintritt in eine Elternzeit führt dann nicht zu einer dauerhaften Verhinderung des Vorsitzenden i.S.v. § 21 f. Abs. 2 Satz 1 GVG, wenn zeitgleich mit dem Eintritt von der Justizverwaltung ein Stellenbesetzungsverfahren eingeleitet wird. Dann ist für eine Übergangszeit von bis zu sechs Monaten eine vorübergehende Vertretung des in die Elternzeit getretenen Vorsitzenden möglich, ohne dass es der Zuweisung eines Vorsitzenden Richters durch das Präsidium des Gerichts nach § 21e Abs. 3 GVG bedarf.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Aktenzeichen 9 O 319/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.11.2008; Aktenzeichen IX ZB 231/07)

 

Tenor

I. Die Besetzungsrüge der Klägerin vom 10.8.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin rügt die Besetzung des erkennenden 6. Zivilsenats des OLG Rostock.

Sie bringt vor, nach dem Geschäftsverteilungsplan 2007 sei der Vorsitzende des Senats, VorsRiOLG B, beurlaubt. Dauere die Beurlaubung über einen längeren Zeitraum an, läge nicht nur, wie in § 21 f. Abs. 2 GVG vorausgesetzt, ein Fall der vorübergehenden Verhinderung vor. Eine Beurlaubung von mehr als 6 Monaten wäre nämlich als ein Fall der dauernden Verhinderung anzusehen. Der Senat sei daher nicht ordnungsgemäß besetzt.

Der Senat hat der Klägerin - nach Einholung der entsprechenden Informationen bei der Präsidialverwaltung des OLG - mitgeteilt, dass sich der VorsRiOLG B auf seinen Antrag gem. Bewilligung des Justizministeriums M-V seit dem 2.7.2007 in Elternzeit befindet. Daraufhin hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, insofern habe es einer Änderung des Geschäftsverteilungsplans mit entsprechender Beschlussfassung des Präsidiums bedurft. Das habe die vorliegende, als dauernde Verhinderung (da voraussichtlich mehr als 6 Monate) zu wertende Elternzeit des ordentlichen Vorsitzenden gefordert. Die Position des Vorsitzenden sei seit nunmehr mehr als 3 Monaten vakant. Die Vakanz sei vorhersehbar gewesen, da der Antrag auf Elternzeit schon einige Monate vor Beginn der Elternzeit gestellt werde. Die Besetzung der Vorsitzendenstelle habe unverzüglich bzw. in angemessener Zeit zu erfolgen und dürfe nicht rechtswidrig verzögert werden. Nach Ansicht des BGH, des BVerwG, des BFH und des BSG sei es sachgerecht, "in allen Fällen und ungeachtet der mutmaßlichen Dauer der Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers überträgt" (BSG, Beschl. v. 29.11.2006 - B 6 KA 34/06 B, = NJW 2007, 2717 ff.). Nach Ansicht des BSG - und anderer oberster Bundesgerichte - sei eine mehr als dreimonatige Vakanz im Vorsitz nicht hinnehmbar, zwei Monate hingegen zulässig, wobei die Frist bei vorhersehbarem Ausscheiden kürzer zu bemessen sei als bei unvorhersehbarem Ausscheiden. Die zeitliche Grenze, in der ein Senat durch einen Vertreter i.S.d. § 21 f. Abs. 2 Satz 1 GVG geführt werden dürfe, sei daher nicht klar zu ziehen; sie reiche von 2 Monaten bei vorhersehbarem Ausscheiden bis zu maximal 6 Monaten.

Die Klägerin meint, solle sich der Senat selbst als ordnungsgemäß besetzt ansehen, um in der gegenwärtigen Besetzung zu entscheiden, dürfe dies jedenfalls nicht im Beschlusswege nach § 522 Abs. 2 ZPO - wie angekündigt - geschehen. Denn solches würde den Rechtsschutz der Klägerin in - auch verfassungsrechtlich - nicht hinnehmbarer Weise beschneiden. Die sich zur Besetzung stellende Frage, ob im Falle der Elternzeit des Vorsitzenden der Geschäftsverteilungsplan förmlich geändert werden müsse, wie auch die Frage, in welchem Zeitraum die Vorsitzendenstelle bei vorhersehbarer Verhinderung neu zu besetzen, oder aber wenigstens der Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Senats zu übertragen sei, sei von grundsätzlicher Bedeutung und werde von den obersten Bundesgerichten uneinheitlich entschieden, so dass eine weitere Entscheidung des BGH zur Rechtsfortbildung wie auch zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung geboten sei.

II. Die Besetzungsrüge ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. In den zur Besetzungsrüge vorgebrachten Gründen sind zwar keine Ausschlussgründe nach § 41 Nr. 1 bis Nr. 6 ZPO zu sehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 41 Rz. 2) und auch keine solchen wegen der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) oder die der Selbstablehnung nach § 48 ZPO. Zu Fällen der - hier nach § 21 f. GVG - nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts wird deshalb auch die Auffassung vertreten, dass ihre Geltendmachung nach §§ 538 Abs. 2 Nr. 1, 547 Nr. 1, 576 Abs. 3, 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - also in der Berufungs-, Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz - zu erfolgen habe (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O.), womit eine Behandlung der Rüge durch das erkennende Gericht selbst (hier den Senat) a...

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