Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ergänzungspflegschaft für Kind bei Strafverfahren gegen Eltern

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Ergänzungspflegschaft für Nebenklage des Kindes in einem gegen einen Elternteil gerichtetes Strafverfahren.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2, §§ 1795-1796

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Aktenzeichen 57 F 876/08 RE)

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter der Kinder XZ, geb. am ... 2001, und XY, geb. am ... 2003, die aus der Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Kindesvater hervorgingen. Die Kindeseltern leben seit Oktober 2007 voneinander getrennt. Gegen den Kindesvater ist bei dem LG ... ein Strafverfahren u.a. wegen des Verdachts des versuchten Totschlags zum Nachteil der beiden Kinder aufgrund eines Vorfalls vom 9.5.2008 anhängig.

Die Parteien streiten in dem Sorgerechtsverfahren XYZ um die elterliche Sorge für die beiden Kinder. Mit Beschluss vom 7.5.2008 hat das AG - Familiengericht - ... das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder auf die Kindesmutter übertragen und die wechselseitigen Sorgerechtsanträge im Übrigen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Kindesmutter gegen diesen Beschluss hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 9.7.2008 die elterliche Sorge für beide Kinder im Wege einer einstweiligen Anordnung auf die Kindesmutter übertragen. In der Hauptsache hat er noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 19.5.2008 wurde für die Kinder eine Ergänzungspflegerin mit dem Wirkungskreis " Vertretung der Kinder in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ..., Az.: 291 Js ... für die Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts und die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht" bestellt.

Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - ... vom 5.9.2008, mit dem der Aufgabenkreis der mit Beschluss vom 19.5.2008 bestellten Ergänzungspflegerin auf die Entscheidung, ob sich die Kinder in dem gegen den Kindesvater gerichteten Strafverfahren als Nebenkläger gem. §§ 395 ff. StPO anschließen, erstreckt wurde.

Der Beschluss erging auf Antrag des Strafkammervorsitzenden, nachdem die Strafkammer ausweislich eines Vermerks vom 3.9.2008 zu dem Schluss gekommen war, dass den Kindern für die Entscheidung, ob sie dem Verfahren als Nebenkläger beitreten, ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

Die Kindesmutter argumentiert mit ihrer Beschwerde, sie sei nach der Übertragung des gesamten Sorgerechts auf sie gemäß einstweiliger Anordnung des erkennenden Senats vom 9.7.2008 in allen Rechtsbereichen vertretungsberechtigt. Eine Einschränkung der Vertretungsbefugnis sei nicht zulässig, da zwischen ihr und den Kindern kein Interessenkonflikt bestehe.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Dem AG ist darin zuzustimmen, dass sich ein Ausschluss der Vertretungsmacht der Kindesmutter bezüglich der Frage, ob die Kinder dem Strafverfahren als Nebenkläger beitreten, nicht aus der in § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB getroffenen Regelung ergibt. Diese von § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB zur Anwendung berufene Vorschrift, die ein gesetzliches Vertretungsverbot ausspricht, bezieht sich auf die Vornahme von Rechtsgeschäften beziehungsweise auf die Vertretung in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Mündel einerseits und dem Ehegatten bzw. einem Verwandten in gerader Linie des Vormunds. Der Begriff des Rechtsstreits i.S.d. § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB erfasst aber nur das zivilprozessuale Verfahren sowie nach herrschender Meinung auch streitige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Huber, MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2008, § 1629 Rz. 57, Palandt/Diederichsen, Kommentar zum BGB, 66. Aufl., § 1795 Rz. 15). Grund für diese Vorschrift, die dem Schutz der Vermögensinteressen des Mündels dient, ist, dass in den entsprechenden Fällen die abstrakte Möglichkeit einer Interessenkollision besteht. Ob eine solche im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist nicht zu prüfen. Daraus folgt, dass der gesetzliche Ausschluss der Vertretungsmacht der Sorgeberechtigten nicht auf andere als die in dieser Vorschrift genannten Fallgruppen erstreckt werden kann, da eine Einschränkung des elterlichen Vertretungsrechts nur in den gesetzlich vorgeschriebenen eng umgrenzten Fallkonstellationen gerechtfertigt ist. Soweit in der einschlägigen Kommentierung zur Strafprozessordnung (Meyer/Goßner, Kommentar zur StPO, 50. Aufl. 2007, Vorbemerkung 7 zu § 395, Senge in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 395 Rz. 2) die Auffassung vertreten wird, die in § 1795 BGB getroffenen Regelung sei entsprechend auf die Nebenklagevertretung von Kindern in gegen einen Elternteil geführten Strafverfahren anzuwenden, wird auf eine entsprechende Entscheidung des OLG Stuttgart (Justiz 1999, 348 ff.) verwiesen, in der eine analoge Anwendung mit dem gebotenen Schutz des Minderjährigen vor den Gefahren, die sich aus einem Interessenkonflikt des Sorgeberechtigten ergeben, begründet wird. Die vom OLG Stu...

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