Entscheidungsstichwort (Thema)

Messbild. Messfehler. Prüfbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verwaltungsbehörde ist "Herrin der Falldatei".

2. Beweismittel für einen Geschwindigkeitsverstoß ist das Messbild in der Gerichtsakte.

3. Die Verwaltungsbehörde hat die Authentizität der Falldatei mit dem Messbild sicherzustellen.

4. Die Auswertung (Umwandlung der Falldatei in das Messbild und Bewertung) ist von der nach § 47 Abs. 1 OWiG i. v. m. § 26 Abs. 1 StVG zuständigen Behörde vorzunehmen. Ist das nicht sichergestellt, kann das Tatgericht nach § 69 Abs. 5 OWiG verfahren.

5. Der Betroffene hat ein Recht auf Einsicht in "seine Falldatei" bei der Verwaltungsbehörde.

6. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet die "Falldatei" im Gerichtsverfahren beizuziehen.

 

Normenkette

StPO § 267 Abs. 1 S. 3, §§ 261, 349 Abs. 2; OWiG § 47 Abs. 1, §§ 77, 79 Abs. 3, § 69 Abs. 5, §§ 68, 62; StVG § 26 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Entscheidung vom 19.04.2016; Aktenzeichen 204 Js-OWi 411136/15)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 19. April 2016 wird verworfen, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf das Rechtsbeschwerdevorbringen hin keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
  2. Der Betroffene hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer außerorts begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (um 45 km/h) zu einer Geldbuße von 320,-- Euro verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

Die nach § 79 I Nr. 1, 2 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie in gleicher Weise begründete Rechtsbeschwerde bleibt wie die Generalstaatsanwaltschaft i.E. zutreffend ausgeführt hat, ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerdeschrift gibt jedoch Anlass zu nachfolgenden Ausführungen des Senats:

I.

1. Zur Frage der Verwertbarkeit von Falldatei und Messbild

Die Rüge der unzulässigen Verwertung des in der Akte befindlichen, ausgedruckten Messbildes erweist sich bereits als unzulässig, weil mit den Ausführungen zu dieser Rüge keine Verfahrenstatsachen vorgetragen werden, die einen Verfahrensverstoß schlüssig darlegen. So fehlt es u.a. bereits an der Darlegung des behaupteten Widerspruchs. Das Lichtbild ist auch nicht nur in Ausgenschein genommen, sondern nach den Urteilsausführungen nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommen und damit zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht worden. Die Behauptung, dass das ausgedruckte Messbild in der Akte kein verwertbares Beweismittel sei, ist darüber hinaus sowohl im Tatsächlichen als auch im Rechtlichen unzutreffend.

Das Beweismittel ist nach ständiger Rspr. des Senats (vgl. z.B. OLG Frankfurt B. v. 03.03.2016 - 2 Ss-OWi 1059/15; B.v. 28.04.2016 - 2 Ss-OWi 190/16), die vom Messgerät erzeugte Falldatei in ihrer in der Akte befindlichen ausgedruckten Form. Die Falldatei wird vom Messgerät in digitalisierter Form erzeugt und ist ohne Auswertesoftware nicht lesbar. Erst die Umwandlung der Datei in eine lesbare Form durch die Auswertesoftware macht sie zu einem gerichtlich verwertbaren Beweismittel, das die Überzeugungsbildung nach § 261 StPO, die Bezugnahmemöglichkeit nach § 267 Abs. 1 S.3 StPO und die notwendige Darlegung in den Urteilsgründen für eine Überprüfung durch den Senat ermöglicht. Zur Sicherstellung der Authentizität der digitalen Falldatei mit dem daraus für die Gerichtsakte generierten Messbild nebst dazugehörigen Messdaten bedarf auch die Auswertesoftware einer Zulassung (bzw. Konformitätsbewertung) durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt. Aus dem gleichen Grund muß auch die Auswertung nach den Maßgaben des § 47 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 1 StVG durch die Verwaltungsbehörde erfolgen. Verstößt die Verwaltungsbehörde gegen diese gesetzlichen Vorgaben, führt dies nicht automatisch zur Unverwertbarkeit der Auswertung. Es entfallen lediglich die verfahrensrechtlichen Erleichterungen. Das Gericht kann das Verfahren nach § 69 Abs. 5 OWiG zur Nachholung der gesetzlich vorgesehenen Auswertung durch die Verwaltungsbehörde an diese zurückverweisen. Macht das Gericht davon keinen Gebrauch, kann es auch die Auswertung in der Hauptverhandlung nachholen lassen, da die Falldatei mit den maßgeblichen Messdaten nach wie vor vorhanden ist. Einen Anspruch darauf hat der Betroffene grundsätzlich nicht. Es verbleibt bei den Anforderungen des § 77 OWiG.

2. Zur Frage der fehlenden Prüfbarkeit von Messfehlern durch die Verteidigung

Die Rüge, mit denen die fehlerhafte Zurückweisung von drei in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen beanstandet wird, ist ebenfalls unzulässig.

Die mit der Rechtsbeschwerdebegründung mitgeteilten Verfahrenstatsachen genügen auch hier nicht den Darlegungsanforderungen, die an die Erhebung einer Verfahrensrüge im Sinne von § 344 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG gestellt werden (vgl. zu den Anforderungen BGHSt 2, 168, S. 169; 19, 273, S. 27; NStZ-RR 2010,...

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