Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensakte. Messreihe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum notwendigen Vortrag gehört das Wissen um die Existenz einer Lebensakte, wo sie sich befinden soll und was sich in ihr befinden soll.

2. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung einer Lebensakte eines Messgerätes gibt es nicht.

3. § 31 MessEG dient nur der Marktüberwachung durch Eichämter für nicht geeichte Geräte.

4. Der Betroffene hat keinen Anspruch auf Beiziehung der "kompletten Messreihe". Es gibt dafür derzeit weder einen rechtlichen, noch einen sachlichen Grund, dass in die Rechte unbeteiligter Dritter eingegriffen werden darf.

 

Normenkette

MessEG § 31

 

Verfahrensgang

AG Bad Hersfeld (Entscheidung vom 02.03.2016; Aktenzeichen 31 Js-OWi 17509/15)

 

Tenor

  1. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 02. März 2016 wird verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch wegen einer Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).
  2. Damit gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG).
  3. Die Kosten des Verfahrens hat der Betroffene zu tragen (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO).
 

Gründe

Ergänzend bemerkt der Senat auf das Vorbringen der Verteidigung:

1. Zum Antrag auf Beiziehung der "Lebensakte"

Eine "Lebensakte" eines Messgerätes kann nur dann beigezogen oder zum Gegenstand der Akteneinsicht gemacht werden, wenn es eine solche gibt. Trotz gegenteiliger Behauptung kann etwas, was nicht existiert, nicht Gegenstand eines Verfahrens sein.

Zum Vortrag bei einem gleichwohl auf Beiziehung oder Akteneinsicht gerichteten Beweisantrags, gehört daher grundsätzlich das Wissen um die Existenz einer solchen "Lebensakte", wo sie sich befinden soll und vor allem was sich in ihr befinden soll. Nur so kann das Gericht überhaupt prüfen, ob die behauptete "Lebensakte" Relevanz für das Verfahren haben kann. Dabei gibt auch hier, dass die bloße Behauptung den dazu notwendigen Tatsachenvortrag nicht ersetzt. Vorliegend scheitert der notwendige Tatsachenvortag bereits daran, dass es zumindest in Hessen keine "Lebensakten" eines Messgerätes gibt.

Auch aus der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgericht (NStZ-RR 2016, 186) ergibt sich nichts anderes. Das OLG hat in dieser Entscheidung die Existenz einer "Lebensakte" vorausgesetzt. Was eine "Lebensakte" ist und auf welchen rechtlichen Grundlagen welche Daten, Urkunden oder sonstige Nachweise diese "Lebensakte" enthalten soll, verhält sich die Entscheidung nicht. Es soll sich um "tatvorwurfrelevante Informationen" gehandelt haben. Welche das konkret gewesen sein sollen, wird nicht mitgeteilt. Insofern sind auch die Folgen für die Aufklärungspflicht, gegen die das Amtsgericht verstoßen haben soll, aus der Entscheidung selbst nicht nachvollziehbar. Eine über den vom OLG Thüringen konkret entschiedenen Einzelfall und den dort möglicherweise vorliegenden Besonderheiten hinaus gehende rechtsweisende Wirkung hat die Entscheidung daher nicht.

Es gibt derzeit auch keine gesetzliche Vorschrift, die die Erstellung einer "Lebensakte" vorsieht.

Die einzige Regelung in diesem Zusammenhang ist § 31 MessEG. Diese Vorschrift sieht die Aufbewahrungspflicht des Verwenders für Reparaturen und Wartungen bei nicht geeichten Geräten vor. Die Vorschrift dient der Marktüberwachung der Eichämter bei "nur" konformitätsbewerteten Messgeräten. Konsequenterweise sind derartige Nachweise auch nur bis zur Eichung vorzuhalten. Nichtgeeichte Messgeräte sind vorliegend in Hessen derzeit nicht im Einsatz.

Sollte sich der Antrag auf Einsicht in die "Lebensakte" daher auf "Beiziehung der Reparatur und Wartungsbescheinigungen" nach § 31 MessG richten, ist in den Blick zu nehmen, dass bei geeichten Messgeräten derartige Bescheinigungen grundsätzlich nicht vorgehalten werden müssen.

Sie sind im Übrigen auch keine geeigneten Beweismittel, um tatsachenbegründete Zweifel an der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit eines geeichten Messgerätes wecken zu können. Eine Reparatur kann ohne Brechung der Eichsiegel nicht erfolgen. Selbst wenn es zu Reparaturen gekommen wäre, müssen die Geräte vor erneuter Inbetriebnahme neu geeicht werden. Die Eichämter bestätigen durch die erneute Eichung und (Neu)-Siegelung die Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des Geräts. Auf die Stellungnahme der PTB vom 31.05.2016 zu § 31 MessEG (einsehbar auf der Homepage der PTB www....), die ebenfalls nach § 256 Abs. 1 1. a) StPO - als Gutachten einer Behörde - verlesen werden kann, wird ausdrücklich verwiesen.

Ist das Tatgericht von der Unversehrtheit der Eichsiegel überzeugt, wozu i.d.R. die Erklärung des Messbeamten, der die Eichsiegel überprüft und der seine Erkenntnisse in einem Messprotokoll niedergelegt hat, ausreicht, kann das Tatgericht ohne konkrete tatsachenfundierte Einwendungen grundsätzlich von einer ordnungsgemäßen Messung ausgehen. Das Messprotokoll kann als Erklärung nach § 256 Abs. 1 Nr. 1. a) bzw. N...

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